Da ich auf einen Kommentar von Friedemann Stöffler zum Programm der Synodal-Gruppierung „Kirche für morgen“ umfangreicher antworten wollte, hier ein extra Beitrag:
1. Pfarrerwahl durch Gemeinden
Die Pfarrerwahl durch die Gemeinde löst nicht alle Probleme vor Ort, aber es ist ein ganz wichtiges Symbol, dass einzelne Gemeindeglieder und Kirchengemeinderäte wirklich ernst genommen werden.
Ich verstehe das Problem glaube ich nicht. Laut Kirchengesetz hat doch die Gemeinde (bzw. das Wahlgremium) sowohl beim Wahlverfahren als auch beim Benennungsverfahren das Recht, einen Kandidaten abzulehnen. Knackpunkt ist nur, dass die Bewerbunger durch die Bewerbung beim OKR und nicht bei der Gemeinde quasi „vorsortiert“ werden.
Das liegt unter anderem an §2 des Gesetzes zur Besetzung von Pfarrstellen:
(1) Bei der Besetzung sind die Belange der Gemeinde, des Kirchenbezirks, der Landeskirche und der Pfarrerinnen und Pfarrer zu berücksichtigen.
Ich glaube nicht, dass es bei der Vorauswahl der Pfarrer um Machtspielchen wie Bestrafung o.ä. geht, bzw. darum, dass gewisse Pfarrer gewissen Stellen vorenthalten werden. Aber natürlich hat der OKR den besseren Überblick und eine Gemeinde weiß nicht (und kann auch gar nicht wissen) womit der Bewerber u.U. Probleme hat etc. Die Bewerber werden schließlich seit dem Studium begleitet und „begutachtet“ und natürlich ist es dann angemessen, sich ein Urteil zu erlauben und bestimmte Leute für bestimmte Stellen für besser oder weniger geeignet zu erachten.
Als angehender Pfarrer habe ich mit der momentanen Vorgehensweise keinerlei Probleme (obwohl sie viel stärker die Pfarrer benachteiligt als die Gemeinden).
2. Autonomie und Vernetzung
Wir sind nicht für autonome Gemeinden. Es bedarf einer Vernetzung und vor allem auch Beratung durch kirchenleitende Stellen, aber diese Vernetzung muss nicht zwingend durch hierarchische Strukturen geleistet werden.
Ein schöner Gedanke, aber wie soll das funktionieren? Hier auf Erden zumindest tut es das nicht. Unsere evangelische Kirche ist eine Vernetzung von Gemeinden. Aber so eine Vernetzung funktioniert nicht ohne eine übergeordnete Struktur, die auch hierarchisch ist. Und wenn es sich dabei nur um eine Bezirkssynode handelt, sobald diese eine für Gemeinden verbindliche Entscheidungen fällt, haben wir eine Hierarchie.
„Kirchenleitende Stellen“, die aber nur beraten und nicht leiten dürfen… ist das nicht ein Widerspruch in sich?
3. Zentrale Anstellung
Nun, ob die zentrale Anstellung wirklich die Lösung ist, da bin ich mir ehrlich gesagt nicht sicher […]
Man muss sich klarmachen, dass es neben den offensichtlichen Problemen mit dem „Machtanspruch“ des OKR noch ein ganz anderes Problemfeld im Zusammenhang mit der Zentralisierung gibt.
In meiner momentanen Landeskirche hat die Gemeinde sehr viel mehr Rechte als in Württemberg. Das hat durchaus auch Nachteile. Zum Beispiel gibt es zur Zeit ziemlich Ärger mit der Beurteilung der Pfarrhäuser durch das Finanzamt wegen der Steuern. Aufgrund des presbyterialen Systems ist dafür laut Landeskirchenamt die jeweilige Gemeinde zuständig, wenn das Finanzamt (unberechtigt) Nachforderungen verlangt. Während andere Landeskirchen das Problem zentral im Rahmen der Fürsorgepflicht für alle Pfarrer zusammen regelten, muss hier jeder Pfarrer und jede Gemeinde für sich die Sache klären (im Notfall vor Gericht).
Das ist ein Arbeitsaufwand erheblichen Ausmaßes, nicht nur für die Pfarrer sondern auch z.T. für die Gemeinden. Und wer eine fitte Gemeinde hat, kriegt gute Konditionen und wer keine Ahnung hat, kriegt schlechte.
Es ist aber nicht die Aufgabe der Pfarrer, sich in Steuerrecht gut auszukennen oder ständig Finanzprobleme zu wälzen.
Ich hoffe, es ist klar, was ich damit sagen will. Einerseits beschwert man sich, dass in den Gemeinderäten und auch von den Pfarrern so wenig inhaltlich gearbeitet wird und die Verwaltung einen immer größeren Stellenwert einnimmt. Andererseits sollen aber die Gemeinden noch mehr Rechte verwaltungstechnischer Art bekommen – was jedoch auch mit Pflichten und Arbeit verbunden ist. Das zu trennen ist eine Illusion. Ob es wirklich für die Gemeinde besser ist, wenn die Auswahl der Kandidaten direkt vor Ort erfolgt (mit u.U. zweistelligen Bewerberzahlen)? Was ist denn die Folge? Bewerbungsverfahren, die sich endlos hinziehen, Gemeinden, in denen für inhaltliche Arbeit und geistliches Leben nur noch wenig Platz ist, weil man monatelang nur Pfarrstellenbewerber begutachtet und sich um Verwaltungsarbeit kümmern muss.
Sieht denn niemand, dass die Lösung mit Wahl- und Benennungsverfahren durch den OKR für die Gemeinden und Gemeinderäte auch eine Entlastung darstellt? Dass dadurch die Vorauswahl von Leuten getroffen wird, die sich damit auskennen und dass trotzdem die Belange der Gemeinde auch in diesem Teil des Besetzungsverfahrens schon (s.o.) in den Blick genommen werden?
Wer sagt denn, das die Gemeindeglieder und Kirchengemeinderäte in diesem Fall nicht eben doch ernst genommen werden?
Nun da werden ja jetzt gaaaanz viele Argumente für das bisherige Verfahren dargestellt, die bei Lichte besehen, eigentlich keine sind:
1) Die Anzahl der Bewerbungen: Also die Gemeinde möchte ich sehen, die sich nicht freuen würde unter zweistelligen Bewerberzahlen auswählen zu können und dann die drei Interessantesten einzuladen. Wenn es darum geht, die Gemeinden zu entlasten, dann könnte man dies genau so durch kompente Zuarbeit ohne Bevormundung erreichen.
2) Vielleicht bewegen wir uns in zu unterschiedlichen Milieus, aber ich kenne sehr viele Pfarrerinnen und Pfarrer, (z.B. 30 haben deshalb unsere Anzeige in a+b unterzeichnet) die sich ein anderes Verfahren wünschen. Es gab schon genügend Erfahrungen von Pfarrern, denen z.B. gesagt wurde, auf diese Stadtgemeinde darfst du dich als junger Pfarrer gar nicht bewerben, weil wir den für „ältere“ reservieren müssen, damit die überhaupt noch wechseln. Merken Sie die „Denke“ dahinter. Es geht nicht um die Versorgung der Gemeinden mit Pfarrer oder Pfarrerinnen sondern um die Versorgung der Pfarrer mit Gemeinden und da muss man umdenken.
3) Zu Finanzamtsfragen äußere ich mich nicht, das scheinen Scheinfragen zu sein. Die Frage der Organisation des Pfarramtes das ist allerdings eine grundlegende Frage: Wie viel Verwaltungstätigkeit hat der Pfarrer – oder müssen die ganzen Aufgaben, die am Pfarramt hängen wirklich sein? Da gibt es z.B. in der Schweiz andere Modelle.
Das steht im württembergischen Pfarrgesetz drin: 13 Absatz 2:
Der Auftrag umfaßt insbesondere (sic! – also es gibt eigentlich noch mehr!)
Predigt und Leitung des Gottesdienstes,
Taufe und Abendmahl, Amtshandlungen,
seelsorgerliche und diakonische Dienste
Dienst an jungen Menschen in Schule, kirchlichem Unterricht und Jugendarbeit,
Bibelarbeit und andere kirchliche Bildungsarbeit mit Erwachsenen,
Gewinnung und Anleitung von Mitarbeitern und weitere Leitungs-, sowie Organisations- und Verwaltungsaufgaben.
– ohne Kommentar
4) Zu Fragen der Hierarchie: Es gibt viele Modelle, die anders funktionieren: Beispiel: Evangelisches Jugendwerk in Württemberg: Hat keinerleie Weisungsbefugnis den Jugendwerken und Jugendreferenten gegenüber trotzdem eine wirkliche Vernetzungsfunktion und Impulsgeber hinein in die Gemeinden. Beispiel: Presbyterianisches Gemeindemodell. Man darf auch nochmals Luther zitieren: „Sine vi se verbo“ Übrigens die gleichen Argumente wurden Luther gegenüber von der katholischen Kirchenleitung damals gesagt. Weshalb haben die Protestanten das Papsttum abgeschafft und eine andere Leitungsstruktur iz.B. auch im luthterischen Weltbund und innerhalb der EKD eingeführt, ohne eine hierarchische Leitung des Ratsvorsitzenden, das funktioniert auch. Wieso soll das nicht auch in einer Landeskirche selbst abgebildet werden können? Überhaupt die theologischen Fragen kommen dabei äußerst dürftig daher.
5) Werden beim jetzigen Modell die Gemeinden wirklich ernst genommen, wenn der OKR vorauswählen muss – natürlich ganz im Sinne der Gemeinde und zur Entlastung der Gemeinde – das ist ein Relikt aus Zeiten der Monarchie – da kam auch immer das Argument, der Monarch handelt ganz im Sinne seiner Untergegeben und die Untergegeben sind entlastet, weil die wesentlichen Entscheidungen ihnen abgenommen werden. – Tut mir leid, da kann ich nicht mit.
Dann ist mir noch lieber, wenn man es so ausdrückt, wie jemand von der „Lebendigen Gemeinde“, die Gemeinden würden zu naiv wählen, deshalb braucht man die Vorauswahl durch den OKR, also braucht man die Bevormundung, weil die Gemeinden zu blöd sind, o.k. da weiß ich, was man von der mündigen Gemeinde hält.
Aber wir haben ein anderes Gemeindebild, eine andere Vision von Kirche und es gibt für alles, was wir erreichen wollen, genügend Beispiele innerhalb der EKiD und anderen europäischen protestantischen Kirchen, die genau dies so praktizieren – und nicht am Finanzamt scheitern.
Nun gut, den Vorwurf der „angeblichen“ Argumente kann ich zurückgeben:
zu 1) Es mag ja sein, dass sich Gemeinden darüber freuen würden. Aber sie dadurch tatsächlich einen besseren Pfarrer kriegen, das ist die Frage. Und was ist unter „kompetente Zuarbeit ohne Bevormundung“ zu verstehen? Es kann ja wohl kaum heißen, dass der OKR interne, evtl. persönliche Dinge über den Pfarrer an irgendwelche Gemeinderäte im Sinne von Kriterien weitergibt.
Und selbst wenn nur Empfehlungen ausgesprochen werden würden, würden in vielen Gemeinde diese u.U. sicher unter dem Generalverdacht der Bevormundung erstmal ignoriert.
zu 2)
Und da glauben Sie tatsächlich, dass dies bei einer freien Pfarrwahl durch die Gemeinden anders wäre? Das wäre doch noch viel schlimmer, weil es ja für (bestimmte) Pfarrer sehr viel schwieriger wäre, durch ein Bewerbungsverfahren zu kommen, würden diese viel länger auf einer Gemeindestelle bleiben und evtl. gar nicht mehr wechseln. Und wieviele Gemeinden kennen Sie, die ihren Pfarrer rausgeschmissen haben?
zu 3) Sie liefern eine Frage ohne Antwort. Das Schweizer Modell ist für Pfarrer attraktiv, aber ob es wirklich das ist, was sich eine Gemeinde wünscht? Was passiert denn, wenn die 40 Stunden in der Woche voll sind und es kommt eine Beerdigung? Warten, bis zur nächsten Woche?
Das Problem ist doch nicht, dass die Pfarrer so viel Verwaltungsarbeit machen wollen, sondern müssen!
Mit dem Hinweis, dass die Arbeit des Pfarrers eigentlich viel mehr Tätigkeiten umfasst, ist es nicht getan – das war ja gerade mein Vorwurf. Was schlagen Sie denn als Alternative vor? Mehr Leute für Verwaltungsaufgaben einstellen – von welchem Geld? Die Verwaltung zentralisieren – oh, das geht nicht, das ist ja Zentralisation und beschneidet u.U. die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Gemeinden. Sie sehen, so einfach ist es nicht.
zu 4) Ich kenne das Jugendwerk recht gut und da ist auch nicht alles Gold, was glänzt. Ich kann mich an Situationen erinnern, wo ein bißchen Weisungsbefugnis nicht schlecht gewesen wäre, wo die Bezirke in der DV monatelange Planungsarbeit der Landesstelle einfach mal in den Müll geworfen haben – so toll ist das nicht unbedingt.
Ich frage mich auch, ob die Strukturen des ejw auf die Landeskirche übertragbar wären. Pfarrer auf Bezirksbasis ohne direkte Weisungsbefugnis der Landeskirche. Presbyteriales System. Das haben wir hier alles in der Rheinischen Landeskirche. Probleme gibts aber auch hier, man tauscht dann eben die einen Probleme mit den anderen, ob es sich dafür lohnt – ich weiß es nicht.
Die Struktur der EKD oder des lutherischen Weltbundes auf eine Landeskirche anzuwenden, ist fraglich. Der Gag ist doch, dass dies Zusammenschlüsse von eigenständigen Kirchen sind, und eben nicht eine „Überkirche“ nach katholischen Vorbild entstehen soll. Und natürlich „funktioniert“ das (was auch immer man darunter verstehen soll), aber Streitereien um Zuständigkeit, Inhalt und Finanzen gibt es in EKD, KEK, LWB etc. trotzdem. Natürlich ist auch eine Landeskirche ein Zusammenschluss von mehr oder weniger eigenständigen Gemeinden, aber es gibt doch einen großen Unterschied: diese stehen in einer wesentlich engeren Beziehung zueinander, sind viel enger miteinander verwoben, was sich z.B. darin äußert, dass es gemeinsame Traditionen und auch einen gemeinsamen Pool von Pfarrern gibt, aus dem die Gemeinden versorgt werden. Was glauben Sie denn, was los wäre, wenn alle Pfarrer frei in der EKD umherspringen würden und von Böblingen nach Eckernförde und von Greifswald nach Köln wechseln würden. Ohne hierarchische Strukturen (in irgendeiner Form, auch eine weisungsbefugte Synode ist eine hierarchische Struktur) würde dann auch nichts mehr gehen.
zu 5) Zum Thema Naivität (ich würde den Ausdruck „blöd“ doch eher vermeiden) und Objektivität: Ich habe mir in diversen Entscheidungsgremien (auch in der Jugendarbeit) ein eigenes Bild davon gemacht, wie und aus welchen Gründen bestimmte Dinge entschieden werden oder nicht. Und ich weiß auch, wie diese in der Synode manchmal zustande kommen. Weitere Kommentare hierzu spare ich mir.
Die Diskussion darüber ist sinnlos, wenn Sie davon ausgehen, dass eine Vorauswahl eine Bevormundung und diese automatisch schädlich ist. Was soll man dagegen sagen? Ein Kind sagt das gegenüber den Eltern auch, haben Sie z.B. Ihrer Tochter nicht auch schon mal die ein oder andere Entscheidung „abgenommen“, obwohl sie in ihren eigenen Augen mündig genug war, das selbst zu entscheiden?
Was ist denn falsch daran, dass der OKR eine Gemeinde davon abhält, einen Pfarrer zu wählen, der zwar vordergründig zu ihnen passt, aber nach ein paar Jahren womöglich die gleichen Probleme auftauchen, wie in seinen vorigen Gemeinden?
Dazu können wir auch gerne mal schauen, was Luther in diesem Zusammenhang schreibt. Ich bin sogar versucht, ein aus dem Kontext gerissenenes „nötige sie hereinzukommen“ (Lk 14,23) zu zitieren.
Aber mal im Ernst. Die Gemeinde kann doch die wesentliche Entscheidung „Ja oder Nein“ treffen. Und ich glaube nicht, dass eine Änderung des Modells wirklich etwas verändern würde. Die Probleme wären vielleicht nicht mehr die gleichen, aber es wäre noch immer viel (anderes) Konfliktpotential da.
Am Finanzamt vielleicht nicht, aber evtl. an den Finanzen. Die Rheinische Kirche mit presbyterialem System, Direktbewerbung bei den Gemeinden und diversen anderen „Errungenschaften“, die Sie gerne hätten, wäre inzwischen froh um eine Personalstrukturplanung wie wir sie haben. Lange Zeit war da kein Überblick über die Pfarrer, die irgendwo in den Kirchenkreisen direkt den Superintendenten unterstanden und durch Kirchengemeinden gewählt wuden. Und natürlich gab es auch kaum Möglichkeiten, in die Bewerbungsverfahren „korrigierend“ einzugreifen. Und jetzt? Jetzt hat man eine katastrophale Altersverteilung und praktisch keinen Nachwuchs…
da bin ich doch lieber hierarchischer Württemberger.
Nicht mehr viel – nur noch eines: Die Beispiele sind entlarvend:
Meinen Töchtern habe ich Entscheidungen tatsächlich abgenommen – in einer Situation der Unmündigkeit – auch wenn sie sich scheinbar mündig fühlten. Jetzt sind die meisten davon erwachsen – und ich nehme Ihnen die Entscheidungen nicht mehr ab. Welches Bild von Gemeinde haben hier denn angehende Pfarrerinnen und Pfarrer – das von heranwachsenden sich mündig fühlenden Jugendlichen – oder das von erwachsenen wirklich mündigen Menschen.
Da müssen ganz sicher viele Pfarrer – und auch angehende – noch umdenken.
Ich wusste, dass das kommen würde. Sie haben ganz offensichtlich das Beispiel falsch verstanden, vermutlich hätte ich eher etwas komplizierteres wählen müssen.
Es geht mir nicht darum, dass ich die Gemeinden für unmündig halte. Ganz im Gegenteil. Nach Luther sind in Fragen das Christentum betreffend (und dazu gehören auch Fragen nach Struktur und Organisation der Kirche) alle Gemeindeglieder gleich mündig. Darum darf auch ein Konfirmand dem Bischof theologisch widersprechen und damit recht haben – wenn er es begründen kann.
Die aus diesem Priestertum aller Gläubigen folgende Berechtigung ALLER zur Predigt, zur Verwaltung der Sakramente und auch zur Leitung der Kirche fodert aufgrund der Kollision der Rechte der Einzelnen miteinander die gemeinsame Übertragung der kollektiven Rechte auf einzelne, die dann im Auftrag aller diese Aufgaben wahrnehmen. So wird theologisch das Amt des Pfarrers begründet, der darüberhinaus auch eine besondere Ausbildung im Rahmen der gemeinsamen Traditionen, Ordnungen und Glaubensgrundsätze erhält. Aus diesem Amt des Pfarrers abgeleitet sind die Leitungsorgane (Dekane, OKR etc) in der Kirche bis hin zum Bischofsamt, damit (und das ist der einzige theologisch begründbare Zweck dieser Leitungsorgane) die Ordnung und der Friede in der Kirche gewahrt bleibt und gewährleistet ist, dass in der Kirche das Evangelium gepredigt und die Sakramente recht verwaltet werden.
Soweit zum kirchentheoretischen Hintergrund. Nun zu dem Punkt, auf den ich eigentlich hinaus will:
Nochmals, ich möchte den Gemeinden die Mündigkeit nicht absprechen – darum geht es nämlich auch gar nicht. Es geht darum, dass die Kirche zwar aus einzelnen Personen und Gemeinden besteht, aber eine Gemeinschaft ist. Entscheidungen müssen immer dahin geprüft werden, dass sie der Gemeinschaft dienen und auf einem gemeinsamen Konsens beruhen. Ich will hier keinesfalls behaupten, dass eine Gemeinde bei ihren Entscheidungen die Gesamtheit der Gemeinden nicht im Blick haben kann – aber im Normalfall wird sie sich um die eigene Gemeinde kümmern (was ja auch verständlich und richtig ist). Dass der Zusammenschluss der Gemeinden aber nicht aus dem Blick gerät, dafür ist (wie oben ausgeführt) die Kirchenleitung zuständig.
Nun sind wir beim Kern dessen, was ich mit dieser ganzen Diskussion überhaupt sagen will. Die Kirchenleitung hat das Ganze im Blick, die Gemeinde (meist) nicht.
Ich möchte es an einem fiktiven Beispiel verdeutlichen. Nehmen wir an, in einem Kirchenkreis gibt es fast nur sehr liberale Pfarrer, weil auch die meisten Gemeindeglieder in den Gemeinden sehr liberal sind. Wenn die Mehrheit der Gemeindeglieder nun frei wählen kann, und immer liberale Pfarrer wählt, was ist die Folge? Die konservativeren Teile der Gemeinden fühlen sich nicht ernstgenommen, wandern irgendwann in andere christliche Gruppierungen ab, der Friede in der Gemeinde, dem Kirchenkreis und letztlich der Landeskirche ist gestört. Die Aufgabe, so etwas zu verhindern, ist die der Kirchenleitung, nicht die der Gemeinden, denn ihnen fehlt doch meist der Überblick. Und in diesem Beispiel kann es durchaus sein, dass Gemeinden nicht glücklich sind, weil der OKR ihnen einen gemäßigten und keinen ultraliberalen Pfarrer vor die Nase setzt – auf lange Sicht ist es jedoch durchaus sinnvoll.
Und jetzt können wir auch nochmal über Ihre Töchter reden. Der springende Punkt ist doch der, dass Sie ihnen die Entscheidung abgenommen haben, weil die Töchter u.U. die (weitreichenden) Folgen ihrer Entscheidungen nicht abschätzen konnten. Sie haben das nicht getan, weil Sie sie für unmündig hielten oder bevormunden wollten.
Darum geht es letztlich in allem, was die Kirchenleitung macht. Bzw. das sollte es, denn natürlich funktioniert das nicht immer so, wie es eigentlich notwendig wäre.
Ich möchte an dieser Stelle auch nicht bezweifeln, dass es durchaus Gemeindeglieder und Gemeinden gibt, die einen vollen Durchblick durch die Rechte, Ordnungen und Finanzen der Landeskirche haben und die Folgen und Auswirkungen sehr gut abschätzen können. In der Praxis ist das jedoch leider ein geringer Teil.
Ich halte die Gemeinden nicht für unmündig, Entscheidungen zu treffen. Es ist aber doch die Frage, aus welchen Gründen sie die Entscheidungen treffen und ob sich über die evtl. Folgen (auch die indirekten) wirklich im klaren sind. Dazu gehört dann z.B. auch eine vernünftige Personalplanung.
Und wenn eben zu befürchten ist, dass dies alles nicht der Fall ist und Entscheidungen eben aus „falschen“ Gründen getroffen werden, dann ist es in meinen Augen nicht nur erlaubt, sondern sogar notwendig, korrigierend einzugreifen.
Als ehemaliger Kirchengemeinderat darf ich dies auch sagen, schließlich habe ich mich selbst gelegentlich dabei ertappt, dass sich Entscheidungen vorwiegend an den Bedürfnissen der eigenen Gemeinde orientierten. Und das wird mir als Pfarrer vermutlich ebenfalls so gehen…
PS:
Ich vermute, dass dies für einige der Synodalen von Kirche für morgen (und von den anderen Gruppierungen) auch gilt. Wenn im Laufe der Wahlperiode klar wird, dass es so einfach, wie man es im Wahlkampf gerne gehabt hätte und proklamiert hat, leider nicht ist.
Wir werden sehen, wer in der Sache die zukunftsweisenden Konzepte hat. Und da bin ich ganz gelassen und ganz sicher. Eher Kirche für morgen als alle anderen. Der Oberkirchenrat hat eine Perspektive, die ist wichtig, bei den Gemeinden mit ins Spiel zu bringen, dass er automatisch und selbstverständlich die übergeordnete und damit richtigere Perspektive hat, das können nur die behaupten, die bisher relativ wenig von den Entscheidungen betroffen waren. Wer den Apparat dort ein bißchen kennt, der merkt sehr schnell, wie wichtig – wie bei jeder „Exekutive“ das Korrektiv der Basis ist – und das kommt bei der Kirche noch viel zu wenig ins Spiel – es geht hier letztlich um klare Gewaltenteilung nicht um das eine gegen das andere – und die ist in der Kirche noch nicht umgesetzt- da leben wir noch im Wesentlichen im 19. Jahrhundert.
– außer dass man alle 6 Jahre wählen darf.
So, aber das war jetzt mein letzter Kommentar. Schön, Tobias, dass wir auf diese Weise Kontakt bekommen haben, aber dennoch wurde auch deutlich, LG-Leute, und auch LG-geprägte Vikare und Pfarrer denken prinzipiell anders als KfM-Leute. Vielleicht können sich gerade die unterschiedlichen Positionen bereichern.
Wir haben ganz offensichtlich unüberbrückbare Differenzen in unserer Bewertung der vorhandenen Möglichkeiten zur Einflussnahme durch die Basis, die in den so gepriesenen anderen Landeskirchen nicht immer unbedingt vorteilhafter ist (Urwahl der Synode in Württemberg!).
Die Zukunft wird zeigen, was sich ändert und was nicht. Solange die anderen Gruppierungen mit ihrer Unterstützung der momentanen Vorgehensweise noch die Mehrheit in der Synode haben, ist zumindest die Frage nach der Pfarrwahl anscheinend nicht die dringenste in der Landeskirche…
Eine interessante Diskussion ist das hier. Spannend finde ich den Glauben von Tobias an die Kompetenz des Oberkirchenrats. Als Gemeindemitglied und ebenfalls zukünftiger Pfarrer habe ich eine ganz andere Sicht auf diese Institution. Der OKR ist eine Bürokratie, die in ihren Verwaltungsabläufen und in den Köpfen vieler Mitarbeiter auf dem Stand von vor mehr als 20 Jahren ist. Besonders bemerkenswert ist die Hochachtung des OKR von einem Freund der LG. Nicht nur einer meiner Bekannten habt die Mitarbeiter (nicht unbedingt die Leitenden, aber das Geschäft wird von den Mitarbeitern erledigt) als Aufbewahrungsstelle für der Gemeinde gescheiterte Pfarrer dargestellt. In den Fragen, in denen ich direkte Berührung mit dem OKR hatte , habe ich diese Erfahrung bestätigen dürfen. Kompetenz, im Sinne von Sachverstand und Wissen, ist nicht unbedingt das Label, das ich dem OKR anheften würde, wohl aber Kompetenz (d.h. Entscheidungskompetenz) deren Basis ich bezweifeln möchte. Damit meine ich nicht primär die theologische Kompetenz, die fehlt mir bisweilen manchmal auch, sondern die Kompetenz zu führen und zu steuern. Das ist aber nicht weiter verwunderlich. Denn wer sagt, dass Pfarrer Führungs- und Steuerungskompetenz besitzen, soll mal begründen woher diese kommt. Eine seltene Geistesgabe, die bei der Ordination vermittelt wird? Das wäre ja mal ein ganz ungewohntes charismatisches Element in der Landeskirche. Das Studium als prägende Phase, jedenfalls in einem Alter in dem die Entwicklungspsychologie eine Prägung noch möglich sieht, leitet auch nicht unbedingt zu Weitblick und strategischem Denken an, da man fast nur in der Rückschau arbeitet und wenn es auf die Gegenwart kommt die Strukturen auch schon feststehen und eben nicht diskutiert werden. Neben den Pfarrern gibt es Beamte im OKR, die sind von berufswegen darauf getrimmt zu verwalten, zu bewahren, das Vorhandene zu organisieren. Innovativ nach vorne denken, bestehendes auch mal grundsätzlich in Frage stellen zu können gehört mit Sicherheit nicht zu den Stärken des Oberkirchenrats.
Aber zugleich wundert mich die grundsätzliche Annahme von Kompetenz an der Basis von Friedemann Stöffler. So wie ich in den letzten 20 Jahren die Entscheidungen von Kirchengemeinderäten verfolgt habe, muss ich diese Kompetenz auch in Frage stellen. Das ist eben ein Problem des demokratischen Modells, dass häufig nicht die Menschen gewählt werden, die Fachkompetenz und Weitblick besitzen, sondern diejenigen, die in der Gemeinde (und da reicht manchmal auch schon die bürgerliche, das muss nicht die Kirchengemeinde sein) bekannt und aktiv sind, bzw. deren Familie aus Tradition einen Sitz im KGR hat. Dieses Infragestellen der Kompetenz beziehe ich ausdrücklich nicht auf theologische Fragen, denn da hängt die Frage der Kompetenz sehr mit Vorentscheidungen und Prägungen zusammen, die nicht wirklich gegeneinander aufgerechnet werden können. Aber im Blick auf die Verwaltungsfragen. Und die beschäftigen einen KGR eigentlich tagein und tagaus. Das fängt ja schon damit an, wer den Plan für die kirchliche Arbeit wirklich lesen (also verstehen) kann.
Es ist also sowohl bei der Basis, wie bei der Kirchenleitung ein Mangel an Führungs-, Steuerungs- und innovativer Organisationskompetenz. Jetzt kommt es drauf an, welche Inkompetenz man als folgenreicher ansieht. An diesem Punkte scheinen sich die Geister der Herren Schneider und Stöffler aus gutem Recht zu scheiden.
Wenn ich die Aussagen von Tobias Schneider weiterdenke:
„Aber natürlich hat der OKR den besseren Überblick und eine Gemeinde weiß nicht (und kann auch gar nicht wissen) womit der Bewerber u.U. Probleme hat etc. Die Bewerber werden schließlich seit dem Studium begleitet und “begutachtet” und natürlich ist es dann angemessen, sich ein Urteil zu erlauben und bestimmte Leute für bestimmte Stellen für besser oder weniger geeignet zu erachten.“
Dann dürfte unsere Wirtschaft nicht mehr wirklich existieren. Da werden die Bewerber nicht von der Wiege (ok, nur vom Beginn des Vorpraktikums) bis zu Bahre von einer zentralen Organisation begleitet. Da gibt es eben Arbeitszeugnisse etc. . Auch in der freien Wirtschaft zeigt sich in den Großkonzernen die Tendenz, dass ja nach Stallgeruch Karriere möglich ist oder auch nicht. Und wer auf einer Position gescheitert ist (seine Probleme gehabt hat) , dann erhält er in den seltensten Fällen in demselben Unternehmen eine weitere Chance zur Bewährung. Allerdings ist beobachtbar, dass viele Mitarbeiter die in dem einen Unternehmen gescheitert sind in einem anderen erfolgreich sind.
Und die Begleitung und Begutachtung im Studium ist bis auf die wissenschaftlich-theologischen Leistungen nicht existent. Dabei sind viele weitere Qualifikationen auch im Studium bereits erkennbar. Aber dafür müsste man seine Studenten wirklich begleiten und betreuen (nennt sich neudeutsch glaube ich „mentoring“).
Zu dem Problem, dass ältere Pfarrer nicht wechseln.
„Das wäre doch noch viel schlimmer, weil es ja für (bestimmte) Pfarrer sehr viel schwieriger wäre, durch ein Bewerbungsverfahren zu kommen, würden diese viel länger auf einer Gemeindestelle bleiben und evtl. gar nicht mehr wechseln. Und wieviele Gemeinden kennen Sie, die ihren Pfarrer rausgeschmissen haben?“
Ja vielleicht liegt genau hier das Problem! Wollen wir an den Symptomen rumkurieren und Pfarrer mit Stellen versorgen oder wollen wir dem Problem auf den Grund gehen? Kann es sein, dass es viele Pfarrer gibt, die ein veraltetes Pfarrerbild leben und deren Kompetenz nicht mit den Anforderungen einer Gemeinde von heute kompatibel ist? Und dabei geht es wiederum nicht darum den Pfarrern die theologische Kompetenz abzusprechen. Aber wie sieht es mit echter Teamarbeit, Kompetenzdelegation, Mitarbeiterführung und – Motivation aus? Da kann der Herr Pfarrer noch so gut predigen, einen Gottesdienst leiten, noch so recht das Abendmahl austeilen und bei den Alten Gemeindemitgliedern zum Geburtstagsbesuch vorbeikommen. All das sind Aufgaben, die ohne weiteres auch von geeigneten Gemeindemitgliedern wahrgenommen werden könnten, unbesehen davon, dass der Pfarrer die Verantwortung dafür trägt. Die Gemeinde ist heute eben deutlich mehr als der Sonntagsgottesdienst und der ev. Kindergarten. Und wer, wenn nicht der Pfarrer soll die Gemeinde zusammenhalten?
Die Landeskirche kann noch so stark auf ihr Amtsverständnis verweisen und den Pfarrer als „Gemeindemanager“ (Junkermann) ablehnen. So lange sie nicht praktiable Lösungsvorschläge unterbreitet, wie wirkliche Führung von Gemeinde vor Ort aussehen kann, wenn sich der Pfarrer lediglich auf seine Kern-Amtsaufgaben Predigt, Gottesdienst, Sakramentsverwaltung, Seelsorge und Unterricht konzentriert, macht sie sich unglaubwürdig.
Gemeindemitglieder für Einzelaufgaben zu gewinnen ist viel realisitischer als eine Führung durch nicht angestellte Gemeindemitglieder zu etablieren. Dafür liegt der zeitliche Aufwand viel zu hoch. Interessanterweise stand die Forderung nach einem Geschäftsführer für Kirchengemeinden nicht im Wahlprogramm der lg, der es ja um lebendige Gemeinde geht, noch bei Kfm, sondern bei der OK.
Und ich kann ganz in Beamtenmentalität jedes querdenken im Keim ersticken: „Mehr Leute für Verwaltungsaufgaben einstellen – von welchem Geld?“ Vielleicht geht es ja gar nicht darum, dass wir in Summe so viel MEHR Leute brauchen, vielleicht brauchen wir zum Teil einfach ANDERE.
Im städtischen Umfeld (und da beziehe ich mich auf Orte mit zwei und mehr Pfarrern) wäre durchaus denkbar, dass eine Stelle die eines Gemeindeleiters wird, der die Gemeinde kompetent führt, organisiert und versucht zusammenzuhalten, und die andere auf die klassisch pfarramtlichen Kernaufgaben (Verkündigung, Gottesdienst, Sakramanente, Seelsorge und Unterricht) ausgerichtet wird.
Das Eingangs festgestellte Kompetenzproblem in Bezug auf Leitung wird jetzt hier virulent. Als Gemeindeleiter braucht man eben keine 6 oder mehr Jahre Theologiestudium, wiewohl es auch nicht ohne theologisches Basiswissen abgeht. Aber ein BA in Theologie und ein MBA wären bspw. eine Konstellation, die genau auf solche Aufgaben vorbereiten könnte.
Und selbst für die Aufgaben des klassischen Pfarramtes scheint eine Reform der Ausbildung überfällig. Ausbildungszeiten in Summe von mehr als 12 Jahren sind heute absolut nicht mehr zeitgemäß.
Wenn dann schon die Pfarrerwahl nicht die dringenste Frage der Landeskirche ist, wäre es zu begrüßen, wenn es die Pfarrerausbildung wäre, denn Entscheidungen heute wirken sich hier erst in 20 Jahren in der Breite aus. Und diesen Denkhorizont vermisse ich bei allen Gremien der Kirchenleitung, und da zähle ich sowohl den OKR wie auch die Landessynode dazu. Eben klassische Verwaltung, die sich mit dem Ist beschäftigt und nicht strategisch in die Zukunft schaut. Denn wenn wir das wirklich ernsthaft tun würden, wäre recht schnell klar, dass die Frage der Pfarrerwahl wirklich nicht erste Priorität hat, obgleich wohl eine der Fragen die sich am einfachsten ändern liessen. Nachdem die Kfm ja bereits am Wahlabend einen Schritt auf einen Kompromiss zugegangen ist, indem sie die Forderung auf jede zweite Pfarrstellenbesetzung zurückgenommen hat. Jetzt sind die anderen am Zug, denn ganz für dumm will ich meine Kirchengemeinden auch nicht verkaufen.
@ Dschi: Danke für den ausführlichen Kommentar. Vorab:
1. Über die Kompetenz des OKR lässt sich streiten, pauschal sowieso. Denn natürlich besteht der OKR aus Menschen, die ihre Stärken und Schwächen haben. Darum kann der ein oder andere durchaus auch mal kompetent sein, wohingegen der andere dies unter Umständen nicht ist.
2. Nachdem nun bereits zwei der Meinung sind, ich wäre LG. Das stimmt nicht. Nur weil meine Mutter LG-Synodale ist, heißt das gar nix. Inhaltlich und theologisch trennen LG und mich so einiges (Wer mich kennt, weiß das ;-) ).
Nun konkret:
Wir sind aber nicht die freie Wirtschaft. Auch wenn einige das so gerne hätten, damit kann die Kirche nicht verglichen werden. Denn einen Beamten (ob Pfarrer oder nicht) kann man nicht so einfach rausschmeissen, den hat man. Vom christlichen Aspekt der Geschwisterlichkeit und Fürsorge für den anderen mal ganz zu schweigen. Und dann ist es sehr wohl berechtigt, jemanden woanders hinzusetzen und mit anderen Aufgaben zu betrauen (wo derjenige dann, wie aus dem Kommentar deutlich wird) ja in der Tat auch erfolgreich sein kann.
Ich meinte damit auch weniger das Studium, da bin ich selbst tatsächlich derselben Meinung, dass nämlich eine wesentlich bessere Begleitung notwendig wäre. Aber es gibt auch z.B. ein Aufnahmegespräch ins Vikariat, nach dem Vikariat, Personalbesprechungen in Dezernat 3 etc. Worauf ich hinauswollte war, dass der OKR den Pfarrer zumindest in der Theorie besser kennt als ein KGR in irgendeiner Gemeinde.
Auch da stimme ich zu. Natürlich. Aber die haben wir eben nicht. Was man dagegen tun kann? Ich weiß es nicht. Schon in Studium und Vikariat die Schwerpunkte verschieben? Bessere Begleitung von Anfang an (die wäre sogar möglich) mit frühem Hinweis auf die notwendigen Kompetenzen? Am Rande: Das Übersichtspapier über die Anforderungen an Pfarrer schon mal gelesen? Da bleibt einem die Spucke weg.
Über das dumm verkaufen der Kirchengemeinden möchte ich gar nicht mehr diskutieren. Ich glaube immer noch, dass die Gemeinden genug Einflussmöglichkeiten haben, indem sie einen Vorschlag ablehnen können. Luthers von KfM so oft zitierte angeblich „freiere“ Sicht richtete sich gegen eine Bestimmung des Pfarrers durch Bischof / Landesleitung und nicht gegen einen Praxis, wie wir sie haben.
Als erstes sorry, wenn ich dich irrtümlich ins lg Lager gesteckt habe. Aber der Eintrag: „Ganz offensichtlich hatte mein Wahlaufruf am Mittwoch Erfolg. Oder meine Webseiten. Jedenfalls sind sowohl Dorothea Gabler als auch meine Mutter gewählt worden.“ legt da schon eine gewisse Nähe nahe, der er sich ja auch auf die lg Theologin in WN bezieht.
Was inhaltlich trennt oder nicht… weiß ich nicht. Für mich sind die Profile viel zu unklar, da es auch lg-seits ein so großes Spektrum gibt, das sich locker mit kfm und EuK überlappt – jedenfalls wenn ich mir diverse persönliche Statements von Einzelpersonen anhöre.
Sodele nun zu der Kompetenz des OKR. Da will ich eben zwei Ebenen unterscheiden. Auf der einen Seite die des einzelnen Mitarbeiters, die ihre Stärken und Schwächen haben, aber dazu kommt auch die Organisationskompetenz, Organisationskultur und da bleiben dann vielfach auch nur Menschen, deren Denk- und Arbeitsweise zu der der Organisation passt. Einen wirklichen Bewusstseinswandel weg von der verwaltenden Behörde hin zu einer nach vorne denkenden, sich im Dienst der Gemeinde verstehenden Einrichtung kann nur Top Down erfolgen. Derzeit kann ich so etwas nicht erkennen. Außer vll. unseren Finanzderzenenten, aber sonst bleibt man eher beim Bestehenden.
Bei dem „Pfarrerproblem“ nähern wir uns dem Kern. Denn klar hast Du recht, wenn Du sagst „Denn einen Beamten (ob Pfarrer oder nicht) kann man nicht so einfach rausschmeissen,“ Aber so weit „vorne“ ist nicht mal Kfm, dass sie Pfarrer nur zu Beamten auf Zeit machen wollen, also den Beamtenstatus auf Lebenszeit in Frage stellen.
„Schon in Studium und Vikariat die Schwerpunkte verschieben? Bessere Begleitung von Anfang an (die wäre sogar möglich) mit frühem Hinweis auf die notwendigen Kompetenzen?“
Eben nicht nur im Hinblick auf die Kompetenzen, sondern im Hinblick auf die derzeit noch herrschende Verbeamtung. Denn Menschen nach 6-8 Jahren Studium auszusortieren ist schon nicht mehr mit dem „christlichen Aspekt der Geschwisterlichkeit und Fürsorge“ vereinbar. Aber das Studium sagt ja noch nichts wirklich über die Eignung zum Pfarramt aus, die erfolgt erst nach dem Vikariat, d.h. nach einer Ausbildungszeit von 10 Jahren. Nachdem die Ausbildung so klar auf die alleinigen Interessen der Kirche abgestellt ist und man nur als Exot in der Wirtschaft unterkommt, finde ich es unverantwortlich so lange mit dieser Frage zu warten. Das wird den Menschen, die in der Ausbildung stecken wirklich nicht gerecht. Aber der OKR (Junkermann) positioniert sich ja derzeit bewusst in Abgrenzung zu den Landeskirchen, die die Studienbegleitung ernster nehmen, weil man den Studenten „den Freiraum“ lassen will.
„Worauf ich hinauswollte war, dass der OKR den Pfarrer zumindest in der Theorie besser kennt als ein KGR in irgendeiner Gemeinde.“
Und ich sage, die bisherige Gemeinde sollte den Pfarrer in der Praxis besser kennen, als der OKR. Warum als nicht regelmäßig alle fünf Jahre eine Dienstbeurteilung in Anlehnung an das Arbeitszeugnis zu erstellen. Das kann ja auf die eingeführten Personal-Gespräche (hab grad vergessen, wie das Instrument konkret heißt), eben das, was in Firmen die Mitarbeitergespräche sind, mit Bestandsaufnahme der Ist-Situation und den Entwicklungspotentialen, aufbauen.
Und damit stünden den Gemeinden, natürlich entsprechend verklausuliert die Einschätzungen der Kirchenleitung zur Verfügung, ohne einen den Eindruck zu hinterlassen, da wird jetzt genau auf die Situation hin etwas gezimmert und deshalb entscheidet die Basis genau entgegengesetzt.
Nicht alles, was in der Wirtschaft läuft ist falsch, auch wenn wir vieles nur in sehr begrenztem Umfang übernehmen können. Aber dazu muss man sich eben auch in den Instrumenten, die in der Wirtschaft eingesetzt werden auskennen. Und genau da sehe ich große Schwächen. Wie kann es sonst kommen, dass man im Zuge der Umstrukturierung des OKR einem Beratungsunternehmen eine Vorgabe mit einer fixen Anzahl Stellen, die eingespart werden sollen, macht? Das ist Denken der Wirtschaft. Vielleicht sollte man sich erst mal ein paar Prozessspezialisten ins Haus holen und die Prozesse untersuchen und danach entscheiden. Und wer dann über zwei Jahre die normalen Angestellten (was im OKR ja vor allem die Sekretärinnen sind, da der Rest zum Großteil verbeamtet ist), immer nur mit befristeten Verträgen ausstattet, der muss sich um die Effektivität seiner Maßnahmen keine Gedanken mehr machen. Über gute Sekretariate kann ich vieles gewinnen, aber auch viel kaputt machen. Wenn hier die Stimmung entsprechend ist und die Motivation darunter leidet, dann lege ich im Endeffekt noch drauf. So sind, wenn meine Infos stimmen, im OKR auch Stellen geschaffen anstatt eingespart worden (sagte mir ein MA des OKR). Nur um ein wenig zu veranschaulichen, woher meine kritische Einstellung dem OKR gegenüber kommt. Das Projektteam wirtschaftliches Handeln scheint dagegen eine sehr gute und professionelle Arbeit geleistet zu haben.
Nun zum letzten Punkt, den anderen Mitarbeitern. „Auch da stimme ich zu. Natürlich. Aber die haben wir eben nicht. Was man dagegen tun kann?“
Allein diesen Punkt so anzuerkennen, das wäre das erste. Aber ich erlebe häufig eine Rechtfertigung des bisherigen Zustandes. Mit deinem Hinweis auf das Übersichtspapier meinst Du doch dieses Machwerk: http://www.dezernat3.elk-wue.de/fileadmin/mediapool/einrichtungen/E_okr_dezernat3/Pfarrdienst/1.9_Grundqualifikationen.pdf
oder? Das ist ein typisches Papier einer leitenden Stelle (egal ob Kirche oder Konzern), das an Realitätsverlust leidet. Aber vll. sollte genau von diesem Papier ausgehend, das angeblich die realen Anforderungen recht gut trifft, fragen, was sich in der Ausbildung verändern müsste. Und damit meine ich ausdrücklich nicht nur das Vikariat, sondern den Gesamtkomplex von Vorpraktikum bis zur z.A. Stelle. Warum ein Betriebswirt oder Jurist schon im Vorstand oder eine Ebene tiefer eines Unternehmens sitzen kann, während ein Pfarrer sich auf seiner ersten Stelle müht ist nicht durch die Anforderungen des Pfarramtes erklärbar. Will sagen, für eine Leitungsaufgabe in einem Unternehmen sind auch fast alle Grundqualifikationen erforderlich (die theologische wird eben durch die entsprechend fachspezifische ersetzt, so sollte in IT Verantwortlicher eben IT Kompetenz haben, ein Rechnungswesen-Verantwortlicher Wissen über Buchführung und Bilanzierung, etc). Nur komischerweise reichen denen 4-5 Jahre Studium (und bei den Juristen noch 2 Jahre Ref). Aber in den Studiengängen wird bereits während des Studiums ganz anders auf die anderen Fähigkeiten geschaut. Was die Juristen in Tü in der Zwischenzeit alles belegen können und Credit Points dafür bekommen, da reibt man sich die Augen.
Ein Blick ins Studium Professionale http://www.career-service.uni-tuebingen.de/index.php?sn=3adb273f57c887ab4c32487cb9e48a7c&strnav=1000
„Ein Hochschulstudium dient in erster Linie dem Erwerb von Fachwissen und Methodenkompetenz. Doch darin allein liegt heute nicht mehr der Schlüssel zum beruflichen Erfolg. Die Unternehmen suchen vielmehr Mitarbeiter, die jenseits des reinen Fachwissens, über fachübergreifende Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen – die so genannten Schlüsselqualifikationen. Dazu gehören beispielsweise Medienkompetenz, Fremdsprachenkenntnisse, Flexibilität, Teamfähigkeit, Kommunikations- und Präsentationskompetenz, sowie ein breit angelegtes Allgemeinwissen und erste Praxiserfahrungen.“ Aber anstatt den Besuch einer gewissen Anteils an solchen Kursen zur Pflicht zu machen, wenn Du Dir das Angebot ansiehst, erkennst Du die Breite, da ist wirkliche für jeden was dabei. Meinetwegen 1 Kurs pro Semester im Grundstudium und 2 im Hauptstudium und ich wette, dass man einen himmelweiten Unterschied in den 4 nicht-theologischen Kompetenzfeldern erkennen würde.
Aber stattdessen bastelt die Fakultät, der Fakultätentag und die EKD ein einer Studienordnung die von 20 SWS für Theologie ausgehen. Ich will das gar nicht mit der durchschnittlichen Anzahl von SWS die heute studiert werden in Relation setzen und die neue Länge des Studiums ausrechnen. Denn die Profs wollen an ihrem Arbeitsstil nichts ändern. Ich habe wörtlich von einem Prof in Tü gehört, dass man Theologie „nicht in weniger als 14 Semester“ wirklich studieren kann.
Da erwarte ich von Fakultät , EKD-Kirchenamt und OKR nicht viel innovative Ideen. Aber genau darum sollte es uns doch heute gehen. Nicht die Anforderungen von heute sehen, sondern die von morgen. Das wäre doch eine Aufgabe für Kirche für morgen. Und heute darauf zu reagieren, dass die Kirche in 20 Jahren Personal hat, das für die Anforderungen vorbereitet ist. Demgegenüber ist es einfach irrelevant ob die Pfarrerwahl ein wenig nach rechts oder nach links gedreht wird. Fakt ist, dass schon heute die Gemeinden, wenn sie sich entsprechend aufstellen dem OKR ja Wunschkandidaten mitteilen können und wenn alles zu spät ist den Vorschlag ja auch ablehnen können.
Mein Anliegen ist es die Dimension deutlich zu machen. Man streitet sich intensiv über Kleinigkeiten und die großen Herausforderungen beachtet man nicht. Deshalb musste ich mich hier mal einschalten, nachdem ich schon seit der Kirchenwahl die Beiträge und Kommentare hier gelesen habe.
Ok, das war missverständlich. Ich hatte zur Wahl aufgerufen und darauf hingewiesen, dass ich die Webseiten für die Kandidaten (beide) im Bezirk gemacht habe… das kann man auch als Werbung verstehen. :-)
Das würde ich niemals bestreiten! Das ist natürlich so. Aber die Frage war doch in der Diskussion, ob die Gemeinde, wo sich ein Pfarrer bewirbt diesen besser einschätzen kann als der OKR. Und das würde dann nur gehen, wenn die Gemeinden sich treffen und austauschen. Und selbst dann wären die Motivation der Bewertung der „auszufragenden“ Gemeinde fraglich.
Die Bewertungen der Gemeinde regelmäßig zu machen, halte ich für sinnvoll. Findet bei Visitationen nicht auch ein Gespräch des Dekans mit dem KGR ohne Pfarrer statt? Wenn nicht, wäre das z.B. ein Anfang.
Von einem richtigen „Zeugnis“ wie in der Wirtschaft, mit dem man sich bei der nächsten Gemeinde bewirbt, halte ich jedoch nichts, ich denke aber, das war auch nicht Deine Intention.
Es gibt sehr vieles, an dem nicht gerüttelt wird, obwohl der Sinn nicht ganz einleuchtet. Neben diesen offiziellen Meinungen zu Länge und Zweck des Studiums, die von OKR und Fakultät regelmäßig heruntergebetet werden, gibt es auch noch „mündliche Überlieferungen“, die sich halten. Z.B. dass man so und so lange vor dem Examen anfangen muss mit lernen, dass man dies und jenes tun soll (ich sag nur DAX-Papier) etc. etc. Angenehm aus der Masse herausstechend war in diesem Zusammenhang für mich ein Gespräch auf dem Prüfungsamt, wo man mir sagte, ich solle das doch so machen, wie ich es für richtig halte.
Worauf ich damit hinauswill? Das Problem mit der fehlenden Weitsicht und Innovation im OKR ist nicht zu ändern, solange der Nachwuchs sich in vermeintlich vorgegebene Muster einfügt. Ich habe das erlebt, dass Studenten im ersten Semester noch ihre Sätze mit „Das kann doch nicht sein, dass…“ begonnen haben und vor dem Examen dann bei „Es ist halt so, dass…“ angekommen sind. Das spricht für sich selbst…
Ein Stück weit war es schon meine Intention der neuen Gemeinde etwas an die Hand zu geben, was eben nicht direkt vom OKR kommt und die Erfahrungen der bisherigen Gemeinde wiedergibt.
Aber ehrlich gesagt haben wir die wieder das Problem, wer solche Dinger formulieren soll… wie sagt mir eine Bekannte: Beim Staat sind die Dienstberurteilung seltsam eng mit der Note des Berufs- bzw. Studienabschlusses korreliert und stellen eben keinen Gegenpol dazu dar, in dem nicht die theoretischen, sondern die praktischen Fähigkeiten im Vordergrund stehen.
DAX-Papiere gibt es ja offiziell nicht mehr. Sie haben, so hört man, die Professoren zu stark eingeengt.
Nun zur Weitsicht und Innovation. Ich habe die beschriebene Verwandlung selber oft genug beobachten müssen. Mit dem Vikariat scheint sich da vieles sogar noch zu verstärken. Es scheint als müsse man erst selber Amtsträger werden um das Amt zu verstehen. Zugleich gibt man seine kritische Reflektionsfähigkeit über das Amt mit dem Zeitpunkt ab, in dem man selber in dem Amt steht. So kommt es mir leider oft vor. Dazu passen auch Aussagen von Freunden, die vielen Dekanen konstatieren als normaler Gemeindepfarrer ganz anders gedacht zu haben.
Und gerade in der Uni Zeit bekommt man ja nichts anderes außer dem klaren Amtsverständnis zu hören, da wird manche Exegese zur self-fulfilling prophecy. Allein aus der Situation im Studium mit „den“ wissenden Profs und dem „kleinen, unkundigen“ Studenten wird eine Veränderung nicht von der Basis kommen. Eher noch so, dass die, die etwas verändern wollen tendenziell eher andere Ausbildungsangebote wahrnehmen und auf ein Theologiestudium verzichten. Ich denke eher, dass im OKR und Synode ein paar Menschen aufwachen müssen und von oben her die Veränderung betreiben müssen. Oder traust du den Studenten in der Breite so viel Selbstbewusstsein und auch Weitblick zu, dass sie hier wirklich etwas verändern wollen und können?
Meine Erfahrung ist eine andere. Gerade wird ja über Module und so gestritten. Aber die Fachschaft ist da fast noch nen Tick radikaler als die Profs, von wegen Einschränkung der Freiheit der Studenten und so. Das Ergebnis, das nach einer Ausbildung stehen sollte, spielt da gar keine wirkliche Rolle, da wird ganz auf Kirchenleitungslinie mit den zwei getrennten Ausbildungsphasen argumentiert, die ja nicht aufgelöst werden sollen.