Da ich auf einen Kommentar von Friedemann Stöffler zum Programm der Synodal-Gruppierung „Kirche für morgen“ umfangreicher antworten wollte, hier ein extra Beitrag:
1. Pfarrerwahl durch Gemeinden
Die Pfarrerwahl durch die Gemeinde löst nicht alle Probleme vor Ort, aber es ist ein ganz wichtiges Symbol, dass einzelne Gemeindeglieder und Kirchengemeinderäte wirklich ernst genommen werden.
Ich verstehe das Problem glaube ich nicht. Laut Kirchengesetz hat doch die Gemeinde (bzw. das Wahlgremium) sowohl beim Wahlverfahren als auch beim Benennungsverfahren das Recht, einen Kandidaten abzulehnen. Knackpunkt ist nur, dass die Bewerbunger durch die Bewerbung beim OKR und nicht bei der Gemeinde quasi „vorsortiert“ werden.
Das liegt unter anderem an §2 des Gesetzes zur Besetzung von Pfarrstellen:
(1) Bei der Besetzung sind die Belange der Gemeinde, des Kirchenbezirks, der Landeskirche und der Pfarrerinnen und Pfarrer zu berücksichtigen.
Ich glaube nicht, dass es bei der Vorauswahl der Pfarrer um Machtspielchen wie Bestrafung o.ä. geht, bzw. darum, dass gewisse Pfarrer gewissen Stellen vorenthalten werden. Aber natürlich hat der OKR den besseren Überblick und eine Gemeinde weiß nicht (und kann auch gar nicht wissen) womit der Bewerber u.U. Probleme hat etc. Die Bewerber werden schließlich seit dem Studium begleitet und „begutachtet“ und natürlich ist es dann angemessen, sich ein Urteil zu erlauben und bestimmte Leute für bestimmte Stellen für besser oder weniger geeignet zu erachten.
Als angehender Pfarrer habe ich mit der momentanen Vorgehensweise keinerlei Probleme (obwohl sie viel stärker die Pfarrer benachteiligt als die Gemeinden).
2. Autonomie und Vernetzung
Wir sind nicht für autonome Gemeinden. Es bedarf einer Vernetzung und vor allem auch Beratung durch kirchenleitende Stellen, aber diese Vernetzung muss nicht zwingend durch hierarchische Strukturen geleistet werden.
Ein schöner Gedanke, aber wie soll das funktionieren? Hier auf Erden zumindest tut es das nicht. Unsere evangelische Kirche ist eine Vernetzung von Gemeinden. Aber so eine Vernetzung funktioniert nicht ohne eine übergeordnete Struktur, die auch hierarchisch ist. Und wenn es sich dabei nur um eine Bezirkssynode handelt, sobald diese eine für Gemeinden verbindliche Entscheidungen fällt, haben wir eine Hierarchie.
„Kirchenleitende Stellen“, die aber nur beraten und nicht leiten dürfen… ist das nicht ein Widerspruch in sich?
3. Zentrale Anstellung
Nun, ob die zentrale Anstellung wirklich die Lösung ist, da bin ich mir ehrlich gesagt nicht sicher […]
Man muss sich klarmachen, dass es neben den offensichtlichen Problemen mit dem „Machtanspruch“ des OKR noch ein ganz anderes Problemfeld im Zusammenhang mit der Zentralisierung gibt.
In meiner momentanen Landeskirche hat die Gemeinde sehr viel mehr Rechte als in Württemberg. Das hat durchaus auch Nachteile. Zum Beispiel gibt es zur Zeit ziemlich Ärger mit der Beurteilung der Pfarrhäuser durch das Finanzamt wegen der Steuern. Aufgrund des presbyterialen Systems ist dafür laut Landeskirchenamt die jeweilige Gemeinde zuständig, wenn das Finanzamt (unberechtigt) Nachforderungen verlangt. Während andere Landeskirchen das Problem zentral im Rahmen der Fürsorgepflicht für alle Pfarrer zusammen regelten, muss hier jeder Pfarrer und jede Gemeinde für sich die Sache klären (im Notfall vor Gericht).
Das ist ein Arbeitsaufwand erheblichen Ausmaßes, nicht nur für die Pfarrer sondern auch z.T. für die Gemeinden. Und wer eine fitte Gemeinde hat, kriegt gute Konditionen und wer keine Ahnung hat, kriegt schlechte.
Es ist aber nicht die Aufgabe der Pfarrer, sich in Steuerrecht gut auszukennen oder ständig Finanzprobleme zu wälzen.
Ich hoffe, es ist klar, was ich damit sagen will. Einerseits beschwert man sich, dass in den Gemeinderäten und auch von den Pfarrern so wenig inhaltlich gearbeitet wird und die Verwaltung einen immer größeren Stellenwert einnimmt. Andererseits sollen aber die Gemeinden noch mehr Rechte verwaltungstechnischer Art bekommen – was jedoch auch mit Pflichten und Arbeit verbunden ist. Das zu trennen ist eine Illusion. Ob es wirklich für die Gemeinde besser ist, wenn die Auswahl der Kandidaten direkt vor Ort erfolgt (mit u.U. zweistelligen Bewerberzahlen)? Was ist denn die Folge? Bewerbungsverfahren, die sich endlos hinziehen, Gemeinden, in denen für inhaltliche Arbeit und geistliches Leben nur noch wenig Platz ist, weil man monatelang nur Pfarrstellenbewerber begutachtet und sich um Verwaltungsarbeit kümmern muss.
Sieht denn niemand, dass die Lösung mit Wahl- und Benennungsverfahren durch den OKR für die Gemeinden und Gemeinderäte auch eine Entlastung darstellt? Dass dadurch die Vorauswahl von Leuten getroffen wird, die sich damit auskennen und dass trotzdem die Belange der Gemeinde auch in diesem Teil des Besetzungsverfahrens schon (s.o.) in den Blick genommen werden?
Wer sagt denn, das die Gemeindeglieder und Kirchengemeinderäte in diesem Fall nicht eben doch ernst genommen werden?