Alle Welt redet von Günther Grass, bzw. von seinem neuen Buch, bzw. von seinem „Geständnis“, dass er bei der Waffen-SS war. Libertas Cara hat darauf hingewiesen, dass Grass damit seine Glaubwürdigkeit verspielt habe. Das ist eine zweideutige Aussage, denn schließlich kann die Glaubwürdigkeit darunter leiden, dass er bei der Waffen-SS war, oder darunter, dass er mit dieser Geschichte mehr Bücher verkaufen will.
Nun gibt es bereits Stimmen, die Grass dazu auffordern, seine Danziger Ehrenbürgerschaft zurückzugeben, und auch von anderer Seite haut man auf ihn ein.
Wie auch immer man es sieht, ich möchte auf Folgendes hinweisen, vor allem, nachdem ich vorhin auf Phoenix ein Interview mit ihm gesehen habe:
Grass hat immer freimütig zugegeben, dass er in der Hitlerjugend war. Und dass er mit 16 einberufen wurde. Er hat allerdings nie zugegeben, dass er zur Waffen-SS einberufen wurde. Grass selbst meinte, dass er keinem einen Vorwurf macht, der ihn anklagt, dies erst so spät öffentlich zu machen. Allerdings meinte er, er hatte dies einfach nicht früher öffentlich machen können, es wäre wie eine Last auf ihm gelegen. Ich glaube, dass er die Wahrheit sagt.
Man muss bedenken, dass er 16 war, ein 16-Jähriger, der seit dem 8. Lebensjahr heftigster Propaganda ausgesetzt worden war. Er wurde dieser Einheit zugeteilt, Verweigerung war unmöglich (Mein Opa kam nur dadurch um die Waffen-SS herum, dass ihm in letzter Sekunde einfiel, dass er Plattfüße hat). Mit 17 kam er in Kriegsgefangenschaft. Man schaue sich heutige 16- und 17-Jährige an, könnte man von denen erwarten, dass sie sich in jeder Lage moralisch und politisch einwandfrei verhalten?
Nach dem Krieg hat sich Grass politisch und schriftstellerisch für Frieden und unter anderem auch für die Versöhnung von Deutschen und Polen eingesetzt. Er hat Mißstände in der Gesellschaft aufgezeigt und ist als das moralische Gewissen Deutschlands aufgetreten. Vielleicht tat er dies alles auch, weil er selbst ein schlechtes Gewissen hatte und die kurze Zeit in der Waffen-SS als persönlichen Makel empfand, den er nun durch gute Taten wiedergutmachen wollte. Verwerflich ist dies jedenfalls nicht.
Gut, er war mit 16 in der Waffen-SS. Aber das kann man ihm nicht zum Vorwurf machen. Wir haben auch einen Papst, der Flakhelfer war. Und unser ehemaliger Außenminister gehörte in seiner Studentenzeit zum Kreis der Steinewerfer. Sie haben sich alle geändert.
Man sollte bei Grass das Leben als Ganzes betrachten und nicht dieses eine Jahr über die 60 Jahre danach stellen.
Was man Grass vorwerfen könnte, ist, dass er erst jetzt mit dieser Geschichte rauskommt. Und dass er ständig sagt „lesen sie mein Buch“. Aber über ersteres kann letztlich keiner urteilen, denn niemand weiss, was Grass erlebt hat und was er fühlt. Und der zweite Punkt ist in soweit verständlich, als dass Grass natürlich sein Buch verkaufen will… Und die Werbung hat bisher ganz gut funktioniert.