In diesen Tagen beginnen die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und FDP. Ich bin (im Gegensatz zu vielen meiner Freunde, wie ich festgestellt habe) mit der Wahl von Schwarz-Gelb nicht so unzufrieden. Ich hoffe vor allem, dass die FDP in einigen Punkten wie Sicherheit, Internetsperren etc. etwas korrigierend in die CDU-Politik eingreifen kann.
Es gab in den letzten Tagen immer wieder Debatten über die Rolle, die Westerwelle in der neuen Regierung spielen wird. Besonders die Frage, ob er überhaupt für das Amt des Außenministers geeignet ist, steht im Raum. Zum einen wegen dieser unglücklichen Weigerung, Englisch zu sprechen, zum anderen wegen seiner Homosexualität.
Im Kölner (!) Stadt-Anzeiger fand ich dazu einen interessanten Artikel (Maßstab für eine offene Gesellschaft):
Zumindest rein nüchtern-sachlich betrachtet, spräche in der Tat einiges dafür, dass Westerwelle wegen seiner Homosexualität als Außenminister ungeeignet wäre: Mit Afghanistan, Iran, Saudi-Arabien, Mauretanien, Jemen, Sudan und Somalia gibt es gegenwärtig sieben Staaten auf der Welt, die aufgrund ihres Scharia-Rechtssystems für (männliche) Homosexualität zwingend die Todesstrafe vorsehen; in unzähligen weiteren Staaten vor allem des Nahen Ostens, Asiens und Afrikas stehen hierauf Strafen bis hin zu lebenslanger Haft. In all diese Länder dürfte – wenn man vom diplomatischen Sonderstatus absieht – Westerwelle eine unerwünschte Person sein, mit seinem Partner Michael Mronz dürfte er, bei strenger Auslegung der Gesetze, wohl erst recht nicht einreisen.
Auf der anderen Seite muss man sich jedoch fragen, ob solche Staaten in der Entscheidung ein Maßstab für eine offene Gesellschaft wie Deutschland sein können – oder ob diese gar die Besetzung des Außenministeriums (mit)entscheiden sollten. Außerdem wäre ein Verzicht auf Westerwelle allein aus Gründen seiner Sexualität letztendlich ein Widerspruch zur deutschen Außenpolitik, die spätestens seit Willy Brandt die Tradition und den Anspruch hat, „Wandel durch Annäherung“ zu praktizieren – eben auf andere Staaten zuzugehen und Demokratie zu befördern, ohne dabei jedoch eigene Standpunkte preiszugeben. Guido Westerwelle selbst hatte außerdem im Wahlkampf angedeutet, seine Homosexualität zwar nicht zum entscheidenden Kriterium seiner Diplomatie zu machen, aber durchaus die Menschenrechtspolitik anderer Staaten auch in dieser Hinsicht zu hinterfragen. Denn obwohl es natürlich falsch wäre, der Bevölkerung arabischer Länder wegen ihres repressiven Rechtssystems pauschal Homophobie zu unterstellen, sollte man trotzdem mit den jeweiligen Machthabern ins Gespräch kommen, um zumindest kleine Verbesserungen im Alltag für die von gesellschaftlicher Ächtung und Verfolgung betroffenen Menschen vor Ort zu erreichen.
In diesem Sinne wäre als Westerwelle als Außenminister nicht nur denkbar, sondern sogar fast wünschenswert. Ich persönlich halte es jedoch dennoch für unglücklich. Denn letztlich bestimmt doch die Kanzlerin die Außenpolitik und daher halte ich es für sinnvoller, dass Westerwelle dort mitmischt, wo seine größten Kompetenzen liegen – im Bereich Wirtschaft und Finanzen. Es ist sicher kein Zufall, dass in einer Zeit der Wirtschaftskrise eine Partei, die für Wirtschaft steht, solch ein gutes Ergebnis bekommen hat.
Nachtrag 03.10.: Ich bin mir inzwischen nicht mehr sicher, ob die Diskussion über den Außenministerposten, die momentan in der Presse geführt wird, nicht von irgendwelchen Kreisen lanciert wird. Es erscheint mir sehr verdächtig, dass die Bildzeitung inzwischen eine Umfrage macht, wen die Leser für den besseren Außenminister halten (Guido oder Guttenberg). Haushoher Gewinner ist – natürlich – Guttenberg. Die Frage ist nur: wollen alle Westerwelle im Inland oder wollen sie ihn NICHT im Ausland?
Unter diesen Umständen wäre ich dann doch für Westerwelle…