Nachtrag zur Kirchenwahl

Auf Kirchenwahl.de habe ich einen Artikel mit Statements von Gesprächskreisvertretern gefunden. Auf zwei davon möchte ich näher eingehen:

Friedemann Stöffler von Kirche für morgen zeigte sich erfreut über das Ergebnis seiner Gruppierung. Man wolle die Identifikation mit Kirche erhöhen, auch durch Strukturveränderungen. „Volkskirche statt Amtskirche“ sei eine der Forderungen von Kirche für morgen. So sollten Gemeinden ihre Pfarrer direkt wählen können, nicht erst nach einer Vorauswahl durch den Oberkirchenrat.

Das klingt auf den ersten Blick gut, hat aber seine Schwierigkeiten. Andere Landeskirchen machen das ja so – wie auch z.B. die Kirche im Rheinland. Allerdings hat just diese vor kurzem einen Beschluss gefällt, dass die strenge Regelung (Immer Wahl durch Kirchengemeinde) aufgelockert wird und das Landeskirchenamt ein Mitspracherecht hat. Und das macht (gegen Stöffler) durchaus auch Sinn:
Denn eine direkte Wahl bietet nicht unbedingt Vorteile für die Pfarrer, denn vor allem ältere haben dadurch gegen jüngere schlechte Karten.
Über das für und wieder einer „Amtskirche“ kann man im übrigen streiten – da wäre vermutlich eine Nachhilfestunde in lutherischem Kirchen- und Amtsverständnis notwendig.

Als „durchwachsen“ bezeichnete Rainer Weitzel von der Offenen Kirche das Ergebnis für seine Gruppierung.

[…]

Er kritisierte, dass notwendige unangenehme Entscheidungen, wie der Verkauf des Hauses Birkach, von der Offenen Kirche über ihre Ausschussvorsitzenden verkündet werden mussten, einzelne Mitglieder der Lebendigen Gemeinde sich außerhalb der Synode aber gegen diese Beschlüsse gestellt hätten.

Das ist nun ein Dilemma: Schließlich kann man schlecht für OK den Vorsitz in einem Ausschuss beanspruchen und sich hinterher beschweren, dass der (oder die) Vorsitzende negative Nachrichten überbringen muss. Das hätte man sich ja auch vorher denken können – selber schuld! Und natürlich dürfen LG-Mitglieder (so wie alle anderen auch) gegen Beschlüsse sein, es gibt ja keinen Fraktionszwang (wie ihn OK gerne hätte).

Die Wahrhaftigkeit der Synodalen und ihrer Entscheidungen zu überprüfen, darin sah Friedemann Stöffler eine weitere Aufgabe seiner Gruppierung angesichts der Auseinandersetzung zwischen Offener Kirche und Lebendiger Gemeinde. So hätten sich alle Gesprächskreise für eine Stärkung der Jugendarbeit ausgesprochen, was die Synodalen aber nicht davon abgehalten hätte, diese Arbeit durch Sparmaßnahmen zu schwächen. Zahlreiche Jugendreferentenstellen seien gekürzt und die finanzielle Unterstützung für das Evangelische Jugendwerk in Württemberg „nach dem Rasenmäherprinzip“ reduziert worden.

Ich bin ein großer Freund des Jugendwerks, das wissen alle, die mich kennen. Aber die Volkskirche, für die sich Stöffler selbst ausspricht (s.o.), besteht leider nicht nur aus Jugendlichen…

10 Gedanken zu „Nachtrag zur Kirchenwahl“

  1. Die offene Kirche, braucht sich nicht über ihr Ergebnis beschweren, da es nur eine logische Konsequenz einiger ihrer „Wahlkampf“-Aussagen war.
    Sie schrieben in ihrem Werbeheftlehatten etwas wie: Wir wollen eine Kirche die allen offen steht. Den genauen Wortlaut weis ich grad net ganz genau
    Gleichzeitig wurde der Lebendigen Gemeinde vorgeworfen, sich nicht aussreichend von „rechten“ Kräften abzugrenzen, weil es da eine Veranstaltung mit Eva Hermann gab.
    Da ist wohl ein Widerspruch vorhanden wie: „Ich mag alle, ausser dem da, der da hinten, und dich auch nicht!“

  2. Vielen Dank, dass ich namentlich erwähnt werde und meine Position kommentiert wird. Einige kurze Bemerkungen von mir dazu:
    a) Unsere Vorstellung vom neuen Pfarrerwahlgesetz geht in die im Kommentar angedachte Richtung (man kann es auf der Homepage nachlesen). Jedes zweite Mal darf der Oberkirchenrat vorauswählen, in den anderen Fällen wird das Prinzip umgedreht: D.h. Die Gemeinde wählt aus und der OKR hat ein Vetorecht.
    b) Die Struktur unserer Kirche ist – trotz Lebendiger Gemeinde, die auch für Beteiligung der Laien ist – und trotz Offener Kirche, die auch für Demokratisierung ist – so, wie sie ist, eben nicht von Herausforderungen einer multireligiösen und mit großer Milieuausdifferenzierung geprägt. Und darum geht es nun hier umzusteuern: Und das hat die Lebendige Gemeinde – trotz satter Mehrheit weder geschafft noch wirklich gewollt – von der Offenen Kirche ganz zu schweigen. Warum ist es nicht möglich, dass ein Gemeindeglied seine Gemeinde wählen kann, warum trauen es die Kirchenoberen den normalen Kirchengemeinderäten nicht zu, sich einen Pfarrer zu wählen – oder machen sie dafür mündig. Und so ist die Kirche heute noch wesentlich von Strukturen geprägt, die aus der konstantinischen Wende im Staatskirchentum entstanden sind – und hier gilt es umzusteuern. Das ist aber ein klarer Systemwechsel, den bisher leider nur wenige wirklich wollen, weil es mit einem Machtverlust des Oberkirchenrats verbunden wäre. Aber einer Kirche, die durch das Wort leiten will, wäre gut beraten, der Macht des Wortes zu trauen und nicht der Macht von Top-Down-Strukturen.

  3. Warum ist es nicht möglich, dass ein Gemeindeglied seine Gemeinde wählen kann

    Weil das nicht der Sinn der Sache sein kann. Das führt nämlich zu dieser Milieuausdifferenzierung, dass es dann eine Gemeinde für Junge gibt und eine für alte und eine für Pietisten und eine für Kulturchristen usw – und das passt nicht zur Idee der Volkskirche. Dazu gehört nämlich, dass die Kirche (und damit jede Gemeinde) für jeden Platz hat und jeder in jeder Gemeinde einen Platz findet. Dass dies in der Realität ganz anders aussieht, ist kein Argument. Statt die Ausdifferenzierung zu begünstigen sollte man dieser vielmehr entgegenwirken.

    warum trauen es die Kirchenoberen den normalen Kirchengemeinderäten nicht zu, sich einen Pfarrer zu wählen – oder machen sie dafür mündig.

    Ich bin momentan Vikar in einer Landeskirche, in der quasi alle Gewalt vom Kirchengemeinderat (bzw. dem Presbyterium) ausgeht. Und das ist auch nicht das Paradies. Es mag zwar durchaus Vorteile geben, aber eben auch Nachteile. Ich denke manchmal, ein wenig Top-Down-Strukturen wären hier gar nicht schlecht. Personalstrukturplanungen u.ä. sind nahezu unmöglich, wenn die Gemeinde das alleinige Recht der Auswahl hat. Und auch die Zeiten, die Pfarrer dann auf einer Pfarrstelle bleiben sind wesentlich länger (und dadurch werden wie oben bereits geschrieben jüngere Pfarrer bei der Wahl meist bevorzugt).

    Dass eine Gemeinde ihren Pfarrer wählen darf, ist die eine Sache. Wer dann letztlich gewählt wird und aus welchem Grund, die andere.

    Ich halte das erwähnte Pfarrwahlgesetz durchaus für sinnvoll. Ich halte aber nichts von Machtspielchen und auch nichts davon, alles auf den „machthungrigen“ Oberkirchenrat zu schieben. Wir haben nämlich eigentlich keine Top-Down-Struktur. Theoretisch (und auch praktisch, siehe Urwahl) geht tatsächlich in einer protestantischen Kirche ist alles von unten organisiert – sogar in Württemberg und sogar ohne Systemwechsel. Leider ist weder den Kirchenmitgliedern noch den OKR-Würdenträgern selbst klar, dass ihre Sonderstellung im Rahmen des lutherischen Amtsverständnisses allein aus der Notwendigkeit einer übergemeindlichen Organisation entspringt.

    Und so ist die Kirche heute noch wesentlich von Strukturen geprägt, die aus der konstantinischen Wende im Staatskirchentum entstanden sind – und hier gilt es umzusteuern.

    Also bei aller christlichen Bruderliebe – das ist nun wirklich übertrieben. Mal abgesehen davon, dass unter Konstatin noch nicht von einer „Staatskirche“ gesprochen werden kann (davon kann man wenn überhaupt erst ab Ende des 4. Jh. reden): Zu dieser Zeit wählten die Gemeinden ihre Bischöfe bzw. „Pfarrer“ noch selbst. Also haben sie genau das getan, was jetzt gefordert wird…
    Die Entstehung der protestantischen Kirchen hat einen völligen Systemwechsel bedeutet. In der katholischen Kirche nämlich, dort herrschen tatsächlich echte, knallharte Top-Down-Strukturen. Dagegen sind die Machtverlustängste der Gänsheide ein Witz…

  4. eines verstehe ich von „Kirche von morgen“ nicht, wir haben bei Jugendreferenten die Struktur, daß sie vom Kirchenabezirk oder von den Kirchengemeinden angestellt werden, aber hier fordert „Kirche für morgen“ küntige eine zentrale Anstellung durch den Oberkirchenrat, das läuft jedoch ihren sonstigen Forderungen total entgegen…Was wil sie nun eigentlich? Immer gerade das was ihr gerade in den Kram passt???

  5. Nein, das läuft in der Logik von Kfm nicht den Forderungen entgegen: Denn sie wollen natürlich eine Anstellung auf landeskirchlicher Ebene, während die Auswahl wahrscheinlich trotzdem bei Gemeinde und Kirchenbezirk liegen soll. So wie es eben auch bei den Pfarrern sein soll.

  6. das geht aber nicht, wenn die Landeskirche Anstellungsträger ist, dann muß sie auch aussuchen können wer angestellt wird ( wie bei denPfarrern )und wo die dann eingesetzt werden. Wenn ich aber die Gemeinde für absolut autonom halte, dann muß ich sie auch entscheiden lassen ob und welche Person sie anstellt, aber dann trägt die Gemeinde auch das Risiko, so wie es seither bei den Jugendreferenten war, aber das will Kfm ja offensichtlich nicht mehr, da sie wohl den Gemeinden und Dekanaten nicht zutraut daß sie genügend Jugendreferenten anstellt…..oder sehe ich das falsch?

  7. Nun, ob die zentrale Anstellung wirklich die Lösung ist, da bin ich mir ehrlich gesagt nicht sicher, weil Zentralisierung eigentlich nirgendwo die Lösung sein kann. Trotzdem könnte es klare Akzentsetzungen in Richtung Jugendarbeit geben, z.B. durch gezielte Fördergelder, die man dann abrufen kann, wenn man in die Jugendarbeit investiert. Aber natürlich ist auch bei zentraler Anstellung auch eine Möglichkeit der Auswahl vor Ort gegeben, siehe z.B. Religionspädagogen, da wird das bereits jetzt praktiziert.
    Wir sind nicht für autonome Gemeinden. Es bedarf einer Vernetzung und vor allem auch Beratung durch kirchenleitende Stellen, aber diese Vernetzung muss nicht zwingend durch hierarchische Strukturen geleistet werden. Übrigens hab ich nirgends geschrieben, dass Konstantin das Staatskirchentum eingeführt hat, aber durch die konstantinische Wende kam das Staatskirchentum.
    Den völligen Systemwechsel sollte es zunächst durch die Reformation geben, ja, aber schließlich hat sich das „landesherrliche Kirchenregiment“ herausgebildet, und das war alles andere als ein vollkommener Systemwechsel.
    Die Pfarrerwahl durch die Gemeinde löst nicht alle Probleme vor Ort, aber es ist ein ganz wichtiges Symbol, dass einzelne Gemeindeglieder und Kirchengemeinderäte wirklich ernst genommen werden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert