Das Toleranz-Dilemma

Was hoaßt denn Toleranz? Toleranz des hoaßt nämlich, wenn man’s übersetzt ins Deutsche, soviel wie „tolerieren“. Des ist soviel wie „etwas ertragen“, „etwas aushalten“ – des hoaßt des!
Des kommt daher, wenn se früher einen Menschen gefoltert ham, und der hats überlebt – dann war der tolerant!

[…]

Nur ein Rindviech ist nur tolerant! Man muss doch en Standpunkt ham! Des gibts jo ned!

Gerhard Polt

Anlässlich eines Telefonats mit Armin habe ich ein wenig über das Thema Toleranz nachgedacht. Ich verweise hierzu auch auf einen älteren Beitrag sowie auf Armins Kommentar zur Kirchenwahl.

Es gibt immer ein Dilemma, sobald eine Pro-Toleranz-Gruppe (T) auf eine Intolerante Gruppe (I) trifft. Es bestehen dann nämlich genau zwei Handlungsmöglichkeiten:
Entweder T akzeptiert, dass die andere Gruppe intolerant ist oder T wirft I die Intoleranz vor.

Bei beiden Möglichkeiten entsteht ein Dilemma.

  1. Akzeptiert T die Intoleranz von I, ist sie zwar selbst tolerant, wendet sich aber dennoch gegen ihre eigenes Programm, da sie Intoleranz implizit gutheißt.
  2. Spricht sie sich gegen I aus, steht T zur eigenen Maxime, handelt aber nicht danach, da sie ja die Haltung von Gruppe I nicht toleriert.

Dieses stark schematische Beispiel greift fast immer und man kann regelmäßig in verschiedenen Fällen beobachten, wie mal nach 1. und mal nach 2. gehandelt wird, wobei die Entscheidung dabei vom Toleranz-Verständnis und von der eigenen Überzeugung abhängt.

Eine Gruppe, die wenig oder nicht zu eigenen Überzeugungen steht, wird immer zu 1. tendieren. Hintergrund ist dann ein falsches Toleranzverständnis bzw eine Angst vor eigener Intoleranz. Deutsche neigen besonders im Zusammenhang mit Zugeständnissen an Angehörige andere Nationalitäten oder Religionen dazu, wobei hier auch die Angst vor dem Nazi-Vorwurf eine große Rolle spielt.

Jemand mit einer Überzeugung stößt irgendwann an eine Grenze, über die er nicht hinwegkann und landet dann bei 2. Dies ist z.B. die notwendige Haltung in einer toleranten Gesellschaft, die sich selbst schützen und erhalten möchte. Denn Toleranz gegenüber einer zerstörerischen Intoleranz führt zur Zerstörung der Toleranz selbst.
Allerdings muss hierbei auch gesagt werden, dass bei einer zu niedrigen Grenze die Toleranz durch solches Verhalten ebenfalls bedroht ist.

Je länger ich also überlege, um so deutlicher wird mir, dass das Dilemma nicht aufzulösen ist, sondern ein notwendiges Mittelmaß zwischen 1. und 2. gefunden werden muss. Progressive politische und religiöse Gruppen sollten sich dabei eher Richtung 2. orientieren, da diese eher zu einer Übertoleranz neigen. Konservative, deren Toleranzgrenze wesentlich niedriger ist, sollten sich an 1. orientieren.

Eine bessere Lösung habe ich leider nicht…

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