Was mich an der momentanen Diskussion nervt

Mir wurde vorgeworfen, dass ich in meinen Beiträgen zum Teil gegen eine Anti-Baden-Württembergische Meinung polemisiere. Das stimmt. Ich habe inzwischen einiges in Foren (besonders bei Spiegel.de) über die Oettinger-Debatte gelesen und in der Tat nervt mich vor allem eine Grundhaltung: Es ist die Sichtweise, dass die Baden-Württemberger (und auch die Bayern) dumm und wenig intelligent sind (sie können ja nicht mal hochdeutsch), dass sie alle ultrakonservativ und im Prinzip verkappte Nazis und Mitläufer sind. Damit geht meistens die Überlegung einher, warum die Bundesländer angeblich „Vorzeigeländer“ (mit Anführungsstrichen) seien. Das ist eine gute Frage, nur wird sie meist gestellt und hinterher nicht über eine Antwort nachgedacht – weil sie rein rhetorisch gebraucht wird.
Ich werde mich darüber nicht auslassen, weil das Problem äußerst vielschichtig ist (geschichtliche Gegebenheiten, soziale Bedingungen, Erbrecht, Rohstoffarmut etc.). Ich stelle nur die Frage, warum denn unser Abitur so viel zählt, wenn wir doch alle so dumm sind? Und warum bei uns Hinterwäldlern die Arbeitslosigkeit und die Kriminalitätsrate so niedrig ist?

Ein weiterer Punkt, der mich nervt, ist Einseitigkeit und Inkonsequenz. Da wird der BW-CDU vorgeworfen, sie hätte keinen rechten Flügel, sie sei vielmehr selbst der rechte Flügel und hätte lauter Alt-Nazis in ihren Reihen. Das kommt dann zum Teil von Linken, die eine Koalition der SPD mit der Nachfolgepartei einer Diktatur gutheißen, in der noch verkappte Befürworter der Mauerschüsse sitzen. Dann kommt in diesem Zusammenhang der Vorwurf, im Süden wäre man der Meinung, die Nazi-Zeit „wäre nicht so schlimm gewesen“, Relativierung sei aber unangemessen und ein Schlag ins Gesicht der Opfer. Auf der anderen Seite verliert man kein Wort über die Ostalgie-Welle, in der zum Teil eine Glorifizierung der DDR stattfindet – ohne dass auf die Opfer Rücksicht genommen wird.

Leider wissen zu viele Leute „ganz genau“, wie das damals war mit Filbinger, und auch, wie er sich anders hätte entscheiden können. Ich kann nicht beurteilen, inwiefern Personen z.B. eine Mitgliedschaft in der NSDAP ablehnen konnten, wenn sie ihnen von oben nahegelegt wurde, besonders in einer Zeit, deren genaue Umstände man sich heute kaum noch vorstellen kann. Genausowenig werde ich mir kein Urteil darüber erlauben, ob vereinzelt nicht auch Leute dazu „gezwungen“ wurden, Stasi-Spitzel zu werden.

5 Gedanken zu „Was mich an der momentanen Diskussion nervt“

  1. Naja, das mit dem „kein Hochdeutsch“ wird ja von eurer Landesregierung eher beworben als beklagt und die Sache mit dem Abi ist ja auch eher eine BayBW Sonderregelung, ihr wertet zwar unsere Abiture runter aber soweit ich weiß rechnet kein Bundesland eure Abis hoch.
    An der Diskussion um Nazi, Stasi etc. sehe ich vor allem noch ein weiteres Problem: Es scheint zunehmend davon ausgegangen zu werden, dass es eine geringe Elite gab, die das NS-, bzw DDR-Regieme gebildet haben und alle anderen dazu gezwungen hat mitzumachen. Niemand hat da freiwillig mitgemacht, alle konnten ja nicht anders und waren innerlich Gegner.
    Die Sache mit den verkappten Nazis ist natürlich so eine Sache. Die NSDAP hatte immer große Wahlerfolge in ländlich-konservativen Kreisen (in SH z.B. Dithmarschen) und davon habt ihr da unten natürlich nicht gerade wenig.
    Aber auch Neid spielt glaube ich immer eine große Rolle.

  2. @Tim: Jaja, ich weiß. Das war mal früher so. Inzwischen haben ja auch andere Bundesländer das Zentralabitur (wieder) eingeführt. Dann nimm nicht das Abitur, nimm die Pisa-E-Studie und erkläre, warum die Bayern und Baden-Württemberger, die kein Hochdeutsch können, trotzdem die höchste Lesekompetenz haben ;-)

    Ich sehe das Problem mit der geringen Elite ähnlich, allerdings hängt alles letztlich am „freiwillig“. Nicht umsonst haben Dikaturen grundsätzlich einen großen und gut organisierten Propaganda-Apparat. Erfolgreich ist der, der die Menschen von sich (und damit dem, was er vertritt) überzeugen und die Situation in der Gesellschaft richtig ausnutzen kann, das haben Hitler und Goebbels deutlich demonstriert.
    Ich war selbst schon auf christlichen (!) Veranstaltungen, auf denen die Menge auf die Frage nach dem totalen Krieg auch „Ja!“ gebrüllt hätte.

    Wer jetzt tatsächlich innerlich Gegner war und wer nicht, ist nicht mehr zu ermitteln. Natürlich besteht die Gefahr, bei einer Psychologisierung alle Täter, Mittäter und Mitläufer zu rehabilitieren. Das kann nicht der Sinn sein.

    Trotzdem finde ich, dass pauschale Besserwisserurteile an der Realität vorbeigehen. Das ist übrigens in allen Dingen so, besonders deutlich wird das z.B. auch bei Sekten, deren Mitglieder sind ja auch alle „freiwillig“ dabei…

  3. Ich glaube man macht genau da den Fehler, wo es um die Freiwilligkeit geht.
    Das die Menschen dazu verführt wurden steht ausser Frage, aber man sollte eben eher von Verführung als von Zwang reden. Es hat eine Freiwilligkeit bestanden und wie mein Wirtschaftslehre-Lehrer immer sagte: „Man kann sie zu nichts zwingen. Sie müssen auch nicht essen und trinken, dann sterben sie halt.“
    Den Fehler machen glaube ich beide Seiten, die „Iiih ein Nazi“-Brüller und die „Opfer des Systems, die keine andere Wahl hatten als Mitzumachen“.
    Interessant dazu ist ja auch wie gewisse liberal-konservative Kreise über die Stasi-Erben reden (und wie sie dabei zwischen PDS und Ost-CDU unterscheiden).

  4. Ich glaube, wir meinen das Gleiche. Es gehören jedoch meines Erachtens sowohl Verführung als auch Zwang dazu, wobei letzteres ein sehr weiter Begriff ist.

    Eine Entscheidung zur Mitgliedschaft in der NSDAP kann man unter gewissen Umständen sowohl als Verführung („alles ist viel einfacher, wenn man ‚dazugehört‘, die Aufsstiegschancen sind besser, man gehört zur elitären Führung des Landes, Macht, Ehre, und so weiter“) oder auch als Zwang („Wenn ich nicht eintrete, verliere ich meine Stelle beim Staat, wie soll ich meine Familie ernähren, etc.“) betrachten. Ich denke, dass beides eine Rolle gespielt hat, besonders das Problem mit der Familie darf glaube ich nicht unterschätzt werden. Für sich alleine genommen kann man ziemlich einfach entscheiden, sobald aber andere Menschen ins Spiel kommen, für die man direkte Verantwortung hat, sieht es schon wesentlich komplizierter aus.

    Die Entscheidung traf aber letztlich in der Tat jeder selbst und dadurch freiwillig. Es haben sich ja auch nicht alle im Sinne des Regimes entschieden, manche haben das mit dem Leben bezahlt.

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