Gut gemeint…

Nachdem nun sowohl Bernd-Michael Haese als auch Tim einen Beitrag zur Bibel in gerechter Sprache verfasst haben, möchte ich nun auch noch meinen Senf dazugeben. Beide verweisen auf einen Artikel von Ingolf U. Dalferth in der NZZ, in dem er aus wissenschaftlicher Sicht diese neue Übersetzung kritisiert. Er schreibt dort unter anderem

Nur wer die Texte gegen die eigenen und fremden Vorurteile zum Zug kommen lässt, ist ihrem Sinn auf der Spur. Dazu bedarf es philologischer und theologischer Textkompetenz, die in Schule und Studium zu erwerben war. Das wurde zum Markenzeichen protestantischer Kirchen und Kultur, auch in Zürich. Die Zürcher Bibel mit ihrer pünktlichen Beachtung der wissenschaftlichen Arbeit an den hebräischen und griechischen Grundtexten belegt das bis heute. Wer kritisch lesen will, muss den Text stark machen.

Ganz anders diese Neuübersetzung, die nicht richtig, sondern «gerecht» zu übersetzen beansprucht. Sie traut den Lesern gar nichts zu, sondern schreibt ihnen unablässig vor, wie sie verstehen sollen, was sie lesen. Gewiss, Übersetzen ist eine schwierige Kunst. Aber Kunst ist auch «das Gegenteil von ?gut gemeint?», wie Gottfried Benn lakonisch notierte. Gut gemeint ist die «Bibel in gerechter Sprache» zweifellos. Keinen Augenblick wird man über die Überzeugungen der Übersetzerinnen und Übersetzer im Unklaren belassen, doch ob man auch das Zeugnis der biblischen Texte vernimmt oder liest, was in den hebräischen und griechischen Originaltexten steht, weiss man nie.

Eigentlich gibt es viel mehr auch nicht dazu zu sagen. Ich habe selbst vor einigen Wochen das zweifelhafte Vergnügen gehabt, mal in diese „Übersetzung“ reinzuschauen. Mir fielen auch sofort die Punkte auf, die Dalferth anführt:

Ohne Rücksicht auf historische Realitäten gibt es jetzt «Hirten und Hirtinnen», «Verwalter und Verwalterinnen», «Pharisäerinnen und Pharisäer», «Zöllnerinnen und Zöllner».
[..]
Die Apostelgeschichte wird unter Berufung auf Römer 16, 7 zur «Zeit der Apostelinnen und Apostel», obwohl das Buch selbst neben den Zwölfen nur Paulus und Barnabas als Apostel bezeichnet.
[..]
Der Heilige Geist wird zur «heiligen Geisteskraft», Jesus vom Sohn zum neutralen «Kind Gottes». Lehrte er seine Jünger bis anhin, «Unser Vater im Himmel» zu beten, so fordert er jetzt die «Töchter und Söhne Gottes, eures Vaters und eurer Mutter im Himmel», auf, zu Gott, dem Vater und der Mutter im Himmel, zu rufen (Mt 6, 9).

Während man über so viel Geschlechtergerechtigkeit fast schmunzeln kann, gibt es jedoch auch theologisch problematische Stellen:

In den sogenannten Antithesen der Bergpredigt etwa setzt Jesus nicht mehr sein «Ich aber sage euch» der Tora-Überlieferung entgegen, sondern macht nur noch einen freundlichen Auslegungsvorschlag: «Ihr habt gehört, dass Gott gesagt hat: Du sollst nicht ehebrechen. Ich lege euch das heute so aus: . . .» (Mt 5, 27f). Heute so und morgen anders. Nur eines darf es auf keinen Fall geben: einen wirklichen Widerspruch zwischen Tora und Jesu Lehre. Der Antijudaismus-Vorwurf an Jesus wäre sonst nicht zu vermeiden.

Auch die Übersetzung des „Logos“ aus dem Johannesprolog mit „die Weisheit“ schießt übers Ziel hinaus, was auch unser NT-Prof im Johannesseminar feststellte.
Beim Thema Antijudaismus sind die Verfasser richtig hart:

Weil die Rede vom Ende Israels tabu ist, darf Amos nicht mehr sagen «Reif zum Ende ist mein Volk Israel» (Am 8, 2), sondern nur noch «Reif ist mein Volk Israel».
[..]
Schon die Rede vom Ende Israels aber scheint den Neuübersetzern verdächtig, und so wird der Text gegen seine ausdrückliche Aussage entschärft.

Dalferth kommt zum Schluss

Ihre Übersetzung dagegen ist nicht nur hermeneutisch einseitig, sondern an vielen Stellen philologisch unzuverlässig, historisch irreführend und theologisch konfus. Philologisch, historisch und theologisch ist diese Übersetzung unbrauchbar.

Nun kann man ja grundsätzlich sagen, dass jede Übersetzung bereits Interpretation ist und damit den ursprünglichen Sinn verfälscht. Es ist ja auch das gute Recht des Verfasserkreises, diese Übersetzung zu machen. Es ist nur schlichtweg untragbar, dass diese Übersetzung nun als die Übersetzung schlechthin bezeichnet wird und den Anspruch hat, richtig, auch im wissenschaftlichen Sinne, zu sein. Dass dies nicht so ist, sollte der Artikel gezeigt haben.

Mir persönlich fiel zur Genderproblematik noch ein lustiges Detail auf. Ich habe eine Vielzahl der Stellen durchgeschaut, in denen der Teufel und die Dämonen auftauchen – und sie sind immer männlich. Es ist nirgends von „Dämoninnen und Dämonen“ die Rede und in der Versuchungserzählung heißt es immer nur „der Verführer“ und nie „die Verführerin“. Das war den Verfassern wohl dann doch zuviel des Guten. Ich frage mich da: ist das gerecht? Wohl kaum…

4 Gedanken zu „Gut gemeint…“

  1. Die Verführerin würde ja auch nur alte Klischees bedienen, oder? Da kann ich nur wieder Wartenberg-Potter zitieren: „Frauenfeindliches darf in der Bibel nicht vorkommen!“

  2. Ich habe mir schon überlegt, ob ich nicht einen Protestbrief an die Herausgeber schreiben soll. Ich fühle mich diskriminiert und ungerecht behandelt. Wenn schon, dann muss man es richtig machen, dann muss das „echte“ Jesuswort von Luk 11,20 heißen: „Wenn ich mit dem Finger der Ewigen die Dämoninnen und Dämonen austreibe, dann ist das Reich des Ich-bin-da zu euch gekommen“.

    Es ist mir auch völlig egal, dass im Griechischen die Dämonen neutrum sind, das griechische Genus juckt die Übersetzer sonst ja auch nicht.

    Der (von mir [in Nachfolge des Herausgeberkreises] willkürlich im Vers verwendete) Gottesname erinnert mich übrigens an das alte Kinderlied „ich bin da und du bist da, dubi-dubi-dubi-dubi du bist da…“

  3. Kirsten hat auch schon gemeint, dass wir da uns da beschweren sollten, weil wir uns diskriminiert fühlen. Die Gottesnamen wurden übrigens, so erzählte Thomas Krüger auf dem TAP, per Zufallsgenerator eingesetzt.

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