Der Generationenkonflikt, über den kaum jemand spricht*

In meiner Weiterbildung zum Gemeindeberater und Organisationsentwickler habe ich vor kurzem im Rheinland ein Modul zur Personalentwicklung belegt. Während des Kurses haben wir uns mit Personalmanagement beschäftigt und dabei auch über die sogenannte „Generation Y“ gesprochen – darüber, wie sie sich selbst sieht und wie sie von den Älteren gesehen wird. Für mich, der ich so in etwa am Scharnier zwischen Generation X/Golf und Generation Y geboren bin, war das sehr spannend.

Dabei wurde mir auch durch die Gespräche mit jüngeren und älteren KollegInnen aus ganz unterschiedlichen Landeskirchen deutlich, dass wir einen unterschwelligen Generationenkonflikt in der Pfarrerschaft haben, über den aber kaum jemand offen spricht.

Aktuell machen die sogenannten Babyboomer eine sehr große Gruppe in unserer Pfarrerschaft aus, es sind sehr viele. Und das wissen sie, denn das haben sie in Leben lang gehört. Sie waren immer viele, schon im Studium. Sie waren so viele, dass man gar nicht alle einstellen konnte. Sie mussten um ihre Stellen kämpfen, Leistung bringen, sich hervorheben. Manche wurden gezwungen in Stellenteilung zu gehen um überhaupt eine Stelle zu bekommen – die damals in diesem Zusammenhang gemachten Versprechen zur Pensionsanerkennung werden inzwischen juristisch als fragwürdig angesehen. Immer hieß es, dass es so viele sind. Ihre Menge führte sogar dazu, dass in den letzten 20 Jahren in der Landeskirche ein Schaubild zur Altersverteilung mit einem Berg herumging, der intern „das eigentliche Problem“ genannt wurde.

Und dann, als viele dieser Babyboomer endlich gesettelt in ihren Jobs saßen und in der Familienphase waren, erschien am Horizont eine neue Herausforderung durch die verstärkte Nutzung der EDV in der Arbeitswelt und damit auch im Pfarramt bis hin zur „digitalen Revolution“. Wieder gab es Veränderungen mit neuen Anforderungen und mancher Babyboomer war frustriert, dass die nachfolgenden Generationen damit bisweilen schneller zurecht kamen. Letzteres gilt vor allem für die sogenannte „Generation Y“, die seit einigen Jahren auf den Arbeitsmarkt kommt.

Die Generation Y ist eine Generation der Krise, deren Erwachsenenleben von ständigen Umbrüchen geprägt war. Und obwohl sie stark umworben ist, hat die Generation es gleichzeitig insgesamt auf dem Arbeitsmarkt in manchen Bereichen schwer. Weil vermehrt befristete Stellen auf Projektbasis geschaffen wurden und auch weil es so eine große Auswahl gibt, so viele Möglichkeiten – und sich festlegen ist nicht unbedingt ihre Stärke. Die jungen Leute spüren außerdem zum Teil auch noch die Auswirkungen der sogenannten „Generation Praktikum“ aus den 2000er Jahren.

Die Babyboomer in der Pfarrerschaft mussten nun mit ansehen, wie man von Seiten der Landeskirche intensiv um diese Generation Y geworben hat und noch immer wirbt. Und welche großen Ansprüche diese Generation auch stellt, im Blick auf Work-Life-Balance, auf Familie, auf Arbeitsbedingungen. Ansprüche, die die Babyboomer niemals gestellt hätten – weil sie es gar nicht konnten (wir erinnern uns: es sind sehr viele – die Generation Y sind hingegen wenige). Und natürlich frustriert das, verständlicherweise. Und oft äußert sich das in dem Vorwurf: „Wir hatten das auch nicht.“ Ja, das stimmt. Und das ist doof. Aber das wird die Generation Y nicht davon abhalten, bestimmte Dinge zu fordern. Weil sie es können. Ob diese Ansprüche tatsächlich immer alle gerechtfertigt sind, ist natürlich zu diskutieren.

Die Generation Y in der Pfarrerschaft hingegen sieht eine Landeskirche, in der viele viele wichtige Stelle von Babyboomer besetzt sind. Dort werden die Entscheidungen getroffen und bei allem Verständnis und bei aller Begeisterung für neue Ideen manches einfach ausgesessen. Und die jungen PfarrerInnen merken, dass ihre Vorstellungen von Teamarbeit, von gegenseitigem Ergänzen, von echter, wirklicher Gabenorientierung bei den älteren Kollegen bisweilen nicht so gut ankommen. Das liegt auch daran, dass die älteren PfarrerInnen oft das Gefühl haben, wenn ein junger Kollege etwas Gutes macht, dann erwartet man (wer auch immer „man“ sein soll) das auch von ihnen. Und es liegt auch mit daran, dass die Babyboomer sehr pflichtbewusst sind und es für sie manchmal so wirkt, als ob die Generation Y mit Gabenorientierung meint, dass jeder nur das macht, auf was er Lust hat (bisweilen ist das sogar so).

Und tief in ihrem Herzen – manchmal auch sehr offen – wünschen sich die Babyboomer, dass doch die Jungen einfach möglichst schnell so werden wie sie selbst schon sind. Aber das wird eben nicht passieren.

Dieser genannte Konflikt zeigt sich manchmal offen, meist aber nur verdeckt. Wenn Ideen ausgebremst werden. Wenn die Wünsche der Jungen in Bezug auf ihre Arbeitsbedingungen belächelt werden (siehe unten, picture related). Wenn junge Pfarrer untereinander ihr Unverständnis über manche Kollegen äußern.

Und manchmal schimmert auch ein wenig durch, dass sich Mancher der Älteren doch gewisse Errungenschaften auch für den eigenen Lebenslauf gewünscht hätte: „Meine Kinder hätten sich sehr gefreut, wenn ich das damals so machen hätte können wie Sie.“

Aus meiner Sicht wird sich dieser unterschwellige Konflikt in den kommenden Jahren noch mehr verstärken, erst recht, wenn die Generation Y anfängt auf die Leitungsstellen zu kommen. Und irgendwann wird diese Generation komplett die Leitung der Landeskirche übernehmen und dann vieles (mit Recht) anders machen. Dann ist das Problem aber nicht weg, sondern nur verschoben.

Denn natürlich werden viele der Babyboomer dann noch in unserer Kirche wie schon bisher viel gutes wirken und sich engagieren – als Ehrenamtliche, die wir dringend brauchen. Deshalb ist es wichtig, dass wir über diese unterschiedlichen gegenseitigen Sichtweisen sprechen. Dass die Jungen verstehen, warum die Babyboomer von manchen ihrer Forderungen und Wünschen so genervt oder gar verletzt sind. Und dass die Älteren akzeptieren, dass jede Generation ihre ganz eigenen Herausforderungen und Schwierigkeiten hat – und dann zulassen, dass die Jungen es anders machen und anders sind als sie selbst.

* Mir ist klar, dass diese Sichtweise vereinfacht ist und das Profil der betreffenden (Pfarrer-)Generationen – wenn es die so überhaupt gibt – wesentlich komplexer ist. Die Babyboomer haben mit ihrer Arbeit und ihrer großen Zuverlässigkeit sehr viel geleistet. Und in der Generation Y gibt es auch viele sehr fragwürdige Entwicklungen. Allerdings ändert das an den dargestellten Wahrnehmungen und auch am verdeckten Konflikt meines Erachtens nichts.

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